Kultur: Explosion mit Blues und Heroin
„Piece of my Heart“: Eine Hommage an die Rocklegende Janis Joplin Morgen im Nikolaisaal mit Marion La Marché
Stand:
Mit einer Hommage an die Rock-Legende Janis Joplin tritt morgen die Sängerin Marion La Marché vor das Publikum im Nikolaisaal.
Auf welche Stimme darf man gespannt sein?
Viele kommen in meine Show und glauben, dieses Krächzende kann man nicht nachsingen. Doch die meisten sind dann überrascht und freuen sich, endlich die Musik von Janis live zu hören. Ich komme ziemlich gut hin.
Wie kamen Sie darauf, Ihr Bühnenleben dem von Janis Joplin zu verschreiben.
Es war nicht meine Idee, sondern die des Regisseurs Jürgen Flügge, dem jetzigen Intendanten der Ettlinger Schlossfestspiele. Im Jahr 2000 nahm ich als Ensemblemitglied des Kabarett-Trios „Die Allergiker“ an einem Kulturfestival im Odenwald teil. Beim Soundcheck zu unserem Auftritt sang ich einen Joplin-Song. Jürgen Flügge hörte es und sagte: „Endlich habe ich die Richtige für mein Projekt gefunden.“ Er wollte schon seit Jahren ein Stück über diese Legende inszenieren.
Was brachten Sie musikalisch an Erfahrungen mit?
Ich bin seit 23 Jahren Sängerin. Außer Schlager, Volksmusik und Klassik singe ich alles, vor allem Blues und Jazz.
Und wie entwickelten Sie das Stück?
Das war das Schwierigste. Ich habe ausgiebig recherchiert, allerdings gab es nicht so sehr viel Material. Janis hat ja nur drei Platten produziert. Es gibt zwar13 Biografien in Deutsch und einige in Englisch. Doch alle sind ganz widersprüchlich. Jeder Autor sieht die Frau aus anderer Perspektive. Also hörte ich auf mein Bauchgefühl und fand die für mich schlüssigste Wahrheit. Zwei Jahre habe ich mich intensiv in dieses Leben hinein gedacht.
Und wie in Szene gesetzt?
Für dieses Rocktheater brauche ich nicht mehr als ein Bett, eine Stehlampe, einen Spiegel und eine Tür – aber aus der wird Janis nicht mehr heraus treten, obwohl sie es immer wieder versucht. Sie ist am Ende ihres Lebens, das in den zwei Stunden wie in einem Film vorbei zieht.
Gibt es auch die wirkliche Janis zu hören?
Nein, man sieht sie nur als Bildanimation. Hinten das Original, vorne ich.
Reflektieren Sie auch andere Bezugspersonen?
Ja, in dem ich in die Rolle der Erzählerin trete und einfach Fakten vermittle. Vor allem über ihre Kindheit.
Die nicht gerade auf Rosen gebettet war.
Sie hatte eine sehr hartherzige Mutter, eine ehemalige Opernsängerin, die nach einer Schilddrüsenoperation nicht mehr singen konnte. Nach diesem schweren Schlag war in ihrem Haus keinerlei Musik mehr erlaubt, es durfte weder gesungen noch gepfiffen werden. Janis begehrte auf und ärgerte die Mutter, in dem sie deren Krächzstimme nachäffte.
Ihr Werdegang als eine Gegenreaktion auf die Erziehung?
Ja und auf die gesellschaftlichen Normen. Aus dieser Gegenposition wurde sie oft laut und schrill.
Sicher auch schauspielerisch eine Herausforderung.
Das Stück ist sehr anstrengend für mich, denn es gibt auch Entzugsszenen. Schließlich will ich zeigen: Lasst die Finger vom Heroin. Aber auch ihre ganz normale Ausdrucksweise war sehr heftig, was Kritiker dieser Hommage mitunter stört. Aber Janis pflegte nun mal keine Blümchensprache. Dieses „Fuck“ war ihre Erfindung. Und das in dem prüden Amerika.
Sie war auch die erste „Weiße Queen des Blues“, die sang wie eine Schwarze.
Ja, aber Schwarze wurden zu diesem Zeitpunkt noch wie Tiere angesehen. Nur sie durften so rumspringen mit Soul und Blues in der Stimme.
Janis Joplin gehörte neben Jimi Hendrix und Jim Morrison zu dem „Club of 27“, den mit 27 Jahren an einer Überdosis gestorbenen Musikern. Alle wurden Legenden.
Ja, Janis ist aber von den dreien am meisten in Vergessenheit geraten. Es gibt nicht mehr so viele Fans.
Und damit auch nicht so viel Publikum in Ihrer Show?
Wenn wir das erste Mal in eine Stadt kommen, ist die Nachfrage nicht so groß. Beim zweiten Mal um so besser. Dann hat die Mundpropaganda eingesetzt.
Und wie geht es inzwischen Ihren Stimmbändern?
Ich habe ein dreiviertel Jahr auf meine Rolle hingearbeitet, denn natürlich geht dieses Krächzen sehr auf die Stimme. Deshalb ließ ich mich von Profis coatchen und von Phonetikern präparieren. Janis hatte ja auch eine kaputte Sprechstimme. Bei mir ist aber noch alles heil. Als Erzählerin belasse ich es dann auch bei meiner normalen Sprechstimme.
Wie erlebte man Janis Joplin in drogenfreier Zeit?
Da fühlte sie sich als die kleine Janis, die nichts kann und nichts wert ist. Deshalb rauchte sie auch kaum Joints, weil sie diese gesteigerte Konfrontation mit sich selbst nicht aushielt. Da ballerte sie sich lieber mit Heroin voll, das nicht reflektierend auf sie wirkte. Raus aus der Realität, rein in die Scheinwelt.
Bis sie 1970 in einem Hotelzimmer an einer Überdosis zugrunde ging.
Dass sie gerade an diesem 4. Oktober starb, lag daran, dass ihre drei Vorkoster nicht da waren. Viele heroinabhängige Künstler hatten Vorkoster, die ihnen eine spezielle, erträgliche Mischung zubereiteten. Janis nahm indes reines Heroin. Aber wäre sie nicht daran gestorben, hätte sicher ihre fortgeschrittene Leberzirrhose den Tod bedeutet.
Das Stück scheint ziemlich an die Substanz zu gehen.
Man hat während der Vorstellung sicher mitunter das Gefühl, den Saal verlassen zu wollen. Aber ich versuche eine Balance zu halten, zeige nicht nur das Leid. Schließlich hatte Janis auch einen schönen Humor. Doch das Stück endet im Wahn, mit Janis als Pearl: ihrer zweiten inneren Person, die saufen und sich mit Heroin zudröhnen durfte.
Was bleibt übrig von den Blumenkindern, den beseelten Hippies, zu denen Janis Joplin gehörte?
Ich versuche einiges zu entzaubern, wie freie Liebe, Woodstock und eben Drogen. Ich bin selbst als Hippiekind groß geworden, mein Vater war Musiker und wir zogen ständig mit ihm umher. Es hat mich keiner gefragt, ob mir das gefällt. Viel lieber wäre ich spießig zu Hause gewesen, zusammen mit Freunden. Auch deshalb ist dieser Abend eine Entzauberung.
Das Gespräch führte Heidi Jäger
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