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Kultur: Facettenreich

Erstes Konzert des Neuen Kammerorchesters

Stand:

Unter dem leicht geheimnisvollen Titel „Babel - in memoriam“ präsentierte das Neue Kammerorchester Potsdam im ersten Konzert der neuen Saison ein bejubeltes Konzert mit außergewöhnlichen Werken.

Schon allein der Facettenreichtum dieses Sinfoniekonzerts mit zwei chorsinfonischen und je einem kammersinfonischen und spätromantischen Werk sollte eigentlich Aufmerksamkeit hervorrufen. Außerdem standen mit Igor Strawinsky, Dimitri Schostakowitsch, Arvo Pärt und Anton Dvorak renommierte Komponisten sowohl mit selten gespielten Stücken wie auch mit sinfonischen Welthits auf dem Programm, das zudem hochaktuelle Denkanstöße geben wollte.

Nicht zuletzt der großartigen, bis in feinste musikalische Verästelungen durchmodellierten Einstudierung durch das Neue Kammerorchester Potsdam und den Männerchor unter der Leitung von Ud Joffe hätte man noch mehr Zuhörer gewünscht.

Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb Igor Strawinskys eine Kantate über den Turmbau von Babel, jene alttestamentarische Parabel über Sprach- und Zielverwirrung der Menschheit, zu der das Programmheft die Frage stellt, ob die Tragödie der Twin Towers ein moderner Turm zu Babel war. Ein kurzes, prägnantes Werk, das den Text nach 1. Mose 11 in dunklen Tonfarben rhythmisch akzentuierte. Dem alttestamentarischen Erzähler verlieh Klaus Büstrin seine klangvolle Stimme, während der Männerchor in strengen Harmonien seinen Kommentar lieferte - eine bemerkenswerte Wiedergabe.

Dimitri Schostakowitschs Kammersinfonie in c-Moll, das aus einem Streichquartett hervorgegangen ist, ersteht als mächtiges Fresko aus gemeißelten Bassakkorden. Gedämpft irisierenden Violinen, klagender Solovioline, sukzessive erleuchteten Klanginseln in einer mustergültigen Interpretation. Dazu passte Arvo Pärts Wallfahrtslied nach Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf“ mit minimalistischen Variationen und Sphärenklängen bis ins höchste Flageolett hervorragend, nicht zuletzt durch den großartigen Chorgesang.

Der zweite Teil wurde bestritten von Anton Dvoraks Sinfonie Nr. 9 e-Moll „Aus der Neuen Welt“, ein Glücksfall von spätsinfonischer Musik für großes Orchester, der auch in dieser etwas reduzierten Version zu einer Glücksstunde der Musik wurde. Die 1893 in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführte Sinfonie steht beispielhaft für die gelungene Integration von verschiedenen Kulturen und Traditionen in einem Werk – doch dazu benötigt man eben die grenzenlos gültige Stimme der Musik, die immer wieder das reale Beispiel für die Utopie von der einen Sprache der Menschheit gibt. Die Interpretation durch das Neue Kammerorchester Potsdam unter Ud Joffe beleuchtete die unterschiedlichen Facetten des Werks feinsinnig, temperamentvoll, transparent und großzügig.

Großartige Leistungen bei den Solisten, das Englisch Horn, die Flöten, Hörner und Posaunen bis hin zur knackigen Paukenspielerin - ein ebenso erhabenes, wie erhebendes Musikerlebnis.

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