Kultur: Fahrplan der Einsamkeit
Der Fotograf Volker Frenzel im „Underground / Ausstellung im Mobilcenter
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Eigentlich ist er über der Erde unterwegs, über den Wolken. Volker Frenzel ist Flugkapitän. Und Fotograf. Für seine neue Foto-Serie „Underground“ ging er unter die Erde. Auf U-Bahnstationen weltweit wartete er mit seiner Kamera auf magische Momente. Und er hat sie gefunden. Gerahmt hängen die Bilder jetzt in der Galerie im Mobilcenter in der Gerlachstraße, in einer Ausstellung des Fotoclubs Potsdam.
Eine Treppe führt hinab in den Tunnel. Der Tag bleibt draußen, die Wirklichkeit auch. Künstliches Licht empfängt die beiden Menschen, die die Stufen hinunter rennen. Zwei Fremde zufällig am selben Ort, zur selben Zeit. Sie sind eher huschende Schatten – verwaschen unscharf, aber bunt. Einer rot, der andere gelb. Doch die Regenjacken, die sie tragen, sind nur zu erahnen.
Volker Frenzel hat die Szenen lange belichtet, alles, was sich bewegt, verliert die Konturen, den Körper. Die hastenden Menschen, die Züge, die zu waagerechten Strichen werden. Frenzel hat der Geschwindigkeit einen Ausdruck gegeben.
„Diese Fotos erfordern viel Geduld“, hat der 57-jährige Künstler einmal über seine U-Bahn-Arbeiten gesagt. „Zunächst suche ich eine Umgebung, warte ab, wie sich die Menschen und die Züge bewegen.“ Dann beginnen die eigentlichen Aufnahmen, „die fast immer dem Takt des Fahrplans folgen müssen“, erklärt Frenzel.
Die reglose Umgebung sticht heraus, die stets moderne Architektur, die Tunnelwände, die Schilder in Englisch, Deutsch und Japanisch. Die Kulisse wird scharf, für die Wartenden am Bahnsteig wird sie zur einzigen Konstanten zwischen den Ankünften und Abfahrten.
Volker Frenzel hat ein Gefühl für die Strukturen der Architekten, die immer öfter U-Bahn-Stationen kreativ gestalten. Auf seinen Fotografien entstehen aus den Linien und geometrischen Formen abstrakte Bilder. Umso mehr fallen die einzelnen Menschen darin auf, die die Kamera scharf eingefangen hat. Es sind diejenigen, die still auf ihre Bahn warten.
Wie ein junger Mann, der ein Buch in den Händen hält. Um ihn herum dunkler Raum, über ihm leuchten riesige schwarze Halbkugeln rot und gelb. Er ist allein. In anderen U-Bahn-Röhren sitzen Menschen auf Bänken, auf orange-farbigen Plastiksitzen aus den 70ern oder auf Metallbänken. Auf einem Bild steht eine Frau am Gleis, sieht der abfahrenden U-Bahn nach. Ihr weißes Kleid flattert vor der roten Wand des Tunnels.
Volker Frenzel hat in seinen Fotografien Einsamkeit sichtbar gemacht, aber auch das Verschmelzen mit der anonymen Masse. Wenn sich die ankommenden U-Bahnwagen leeren, vereinen sich die Menschen für einen kurzen Augenblick. Sie haben ein Ziel. Gemeinsam drängen sie in die U-Bahn-Wagen oder auf die Rolltreppen, um wieder in die wirkliche Welt zu gelangen.
Die Ausstellung des Fotoclubs Potsdam „Underground“ in der Galerie im Mobilcenter der Brandenburgischen Automobil GmbH in der Gerlachstraße 47 ist bis zum 2. August geöffnet.
Juliane Wedemeyer
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