Kultur: Falconieri und Rameau
Zwei Einspielungen mit Potsdamer Einschlag
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An dieser Stelle, wenn auch etwas kurzfristig, noch zwei musikalische Empfehlungen für die Weihnachtszeit: Musik für die, die in den kommenden Tagen gern auf weihnachtliche Kompostionen verzichten möchten, trotzdem etwas hören wollen, das beseelend wirkt. Musik, die einen durch das kommende Jahr begleiten kann und die auch noch Potsdamer Einschlag zu bieten hat.
Da wäre zuerst das Album „Dolci Sospiri“ (Edition Raumklang) des Tenors Jan van Elsacker und dem United Continuo Ensemble mit Werken von Andrea Falconieri. Falconieri, der im 16. Jahrhundert als Lautenist und Komponist in Parma, Florenz und Arno, vor allem aber in seiner Geburtstadt Neapel tätig war, hinterließ einen umfangreichen Musikaliendruck mit dem Titel „Primo libro di canzone, sinfonie, fantasie, capricci, brandi, correnti, gagliarde, alemane, volte“, der wegen seiner kunstvollen Sätze für ein bis drei Violinen und Basso continuo als Keimzelle der neapolitanischen Violinschule gilt. Neben ausgewählten Kompositionen aus dem „Primo Libro“ sind auf „Dolci Sospiri“ auch Werke aus dem „Primo libro di Villanelle“ aus Falconieris Zeit in Florenz zu hören. Ein einfach nur herrlich zu bezeichnender Wechsel zwischen instrumentaler Ausgelassenheit und erhebendem und zu Herzen gehendem Gesang. Das United Continuo Ensemble mit der Potsdamer Geigerin Claudia Mende agiert auf „Dolci Sospiri“ mit erquickender Spielfreude, einem klar gezeichnetem Klangbild und äußerstem Gespür für all die Feinheiten und kraftvollen Farben in Falconieris Musik. Jan van Elsackers Tenor legt sich mit betörender Schönheit und beseelender Natürlichkeit in dieses Spiel. Dieses Album birgt, das wird schon beim ersten Hören klar, ein ganz starkes Suchtpotenzial.
Die zweite Empfehlung trägt den gewichtigen Namen „Die goldene Gambe“ (Deutsche Harmonia Mundi), ist den „Pièces en Concerts“ von Jean-Philippe Rameau aus dem Jahr 1741 gewidmet und kann als eine Art Premiere bezeichnet werden. Zu verdanken ist das dem Potsdamer Instrumentenbauer Tilman Muthesius, der aus eigenem Antrieb sich an den Nachbau einer achtsaitigen Gambe – üblich sind maximal sieben Saiten – nach einem Original gemacht hat, das unspielbar im Pariser Musée de la Musique ausgestellt wird. Den Ausschlag dafür gab die Musikerin Heidi Gröger, die für bestimmte Passagen in Rameaus „Pièces en Concerts“ noch eine höher gestimmte Saite benötigte. Zusammen mit dem Ensemble Fleury hat Heidi Gröger nun auf der goldenen Gambe – so bezeichnet wegen des entsprechend prunkvoll verzierten Kopfes – die fünf Konzerte von Rameau aufgenommen. Ein feines Musizieren, ein respektvolles und erhabenes Kommunizieren von Flöte und Geige, Cembalo und der achtsaitigen Gambe. Heidi Gröger spielt die Goldene mit Eleganz und oft auch erhabener Zurückhaltung. Die Feinheiten, das Aristokratische in Rameaus Kompositionen drängt bei ihr nicht nach vorn, sondern will erhört werden und wird wunderbar ergänzt und bereichert durch Karl Kaiser an der Flöte und Wiebke Weidanz am Cembalo. Gerade dieser subtile Zwang zum genauen Hinhören macht diese Aufnahme so reiz- und wertvoll und lädt gleichzeitig zu einer Entdeckungsreise in Rameaus zauberhafte Klangwelt ein. Dirk Becker
Dirk Becker
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