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Kultur: Famoser Fabulierer

Wolfram Berger und „Passion des Cuivres“ in den Römischen Bädern

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Das Rad an seines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, als der Sohn sich gerade erst den Schlaf aus den Augen wischte. „Du Taugenichts! Da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und lässt mich alle Arbeit allein tun“, moniert der Papa solches Treiben. „Ich kann dich hier nicht länger füttern, ... geh hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.“ Gesagt, getan. Nimmt seine Geige, geht frohgemut von dannen.

Schwärmen, Schweifen, Abenteuer – das romantische Weltgefühl ist wohl kaum trefflicher zu Papier gebracht worden als in Joseph von Eichendorffs Roman „Aus dem Leben eines Taugenichts“ aus dem Jahr1826. Und da es selbigen bei seinen Erkundungen auch nach Rom zieht, sind seine Erlebnisse eine willkommene Bereicherung für die Musikfestspiele mit ihrer Sehnsucht nach der Ferne.

In der bis auf den letzten Platz besetzten seitenoffenen Arkadenhalle, mit freiem Blick auf das gepflegte Gartenparterre hin, liest der österreichische Mime Wolfram Berger „Taugenichts“-Auszüge. Doch was heißt hier: lesen. Der famose Fabulierer trägt vor, modelliert mit seiner prägnanten, ein wenig angerauten, lebensreifen und modulationsreichen Stimme prächtige Charaktere. Er beschwört die herrlichsten Stimmungen zwischen romantischem Mondschein, in das so manches Schlossanwesen getaucht ist, und der Sonne des Südens, unter der die Zitronen blühen. Ganz natürlichen Tons erschließt er den Zuhörern die Schönheiten der Natur genauso wie die Geheimnisse und Verwirrungen der Liebe. Fast scheint es, als fühle er sich selbst als taugenichtsiger Wanderbursche, der seine Abenteuer als Reportage gerade erst zu Papier gebracht hat. Diese Unmittelbarkeit ist es, gepaart mit nonchalantem österreichischen Charme, die einen sofort in Bann schlägt.

Wolfram Berger hat noch die gute alte Sprachschule genossen, die nicht schludert und nicht geschraubt daherkommt. Er lebt literarische Romantik, macht sie anderen erlebbar: ohne vokalen Seelenbibber, stattdessen als ein ganz modernes Lebensgefühl! Und er weiß Handlungen, die in sturmdurchtoster Nacht an abgelegenen und geheimnisumwitterten Orten spielen, mit geradezu kriminalistischem Spürsinn effektvoll zu steigern. Er unterstreicht seine Worte mit sprechenden Gesten und einer Musik, die dem Text als treffliche Zäsuren dienen.

Zuständig für den musikalischen Rahmen ist „Passion des Cuivres“, ein Ensemble das seinem Namen alle Ehre macht: Leidenschaft für Blech. Die Musiker, deren Herkommen, Ausbildung und Tätigkeiten das Programmheft verschweigt, spielen in Kostümen der Biedermeierzeit und auf Instrumenten des 19. Jahrhunderts. Dazu gehören neben Horn und einer engmensurierten Tenorposaune, zwei Kornette, die Piccolotrompeten ähneln, jedoch weicher klingen. Für das Bassfundament ist die Ophikleïde zuständig, die einer schlank geformten Tuba gleicht. Alles mischt sich zu einem biegsamen, kernigen und durchsichtigen Gesamtklang. Den kurzweiligen Piecen ist er angemessen. Mit von der Blaspartie sind Hector Berlioz mit einem Marsch aus „Les Troyens“, Felix Mendelssohn Bartholdy mit Liedhaftem und der in Potsdam geborene Ludwig Wilhelm Maurer (1789-1878) mit einer Auswahl aus seinen gefälligen „Zwölf kleinen Stücken“ für Blechbläserquintett. Text und Musik gehen dabei Hand in Hand, wobei sich letztere eifrig rühren und eine Zugabe erklatschen.Peter Buske

Peter Buske

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