
© A. Klaer
Kultur: Fantasien als Aufreger und Seelenbalsam Orgelsommer eröffnet in der Friedenskirche
Was der Renaissance-Dichter Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ von den Schicksalen der Seelen schilderte, regte den Komponisten Max Reger zu seiner nicht weniger einprägsam gestalteten „Symphonischen Fantasie und Fuge“ d-Moll op. 57 an.
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Was der Renaissance-Dichter Dante Alighieri in seiner „Göttlichen Komödie“ von den Schicksalen der Seelen schilderte, regte den Komponisten Max Reger zu seiner nicht weniger einprägsam gestalteten „Symphonischen Fantasie und Fuge“ d-Moll op. 57 an. Sie gehöre zu Regers „bedeutsamsten, spieltechnisch schwersten und gestalterisch anspruchsvollsten Werken“, sagte Tobias Scheetz am Mittwoch bei der Eröffnung der 26. Saison des Internationalen Orgelsommers Potsdam in der Friedenskirche. In fast jedem Konzert des renommierten Festivals wird in diesem Jahr – Anlass ist Regers 100. Todestag – ein Werk von ihm erklingen. Nicht ohne Grund hatte der tschechische Organist Jan Dolezel gerade diese „Inferno-Fantasie“ an den Beginn seines Konzerts gestellt. In ihr schichten sich chromatische Modulationen zu einem schier unüberschaubaren Improvisationsstapel.
Erstaunlich, wie Jan Dolezel hier mit untrüglichem Gespür für dramatische Gestaltung eine Klangkathedrale entstehen lässt – und zwar eine, in der massive akkordische Stützen eingezogen sind, nebst diversen Wellness-Nischen. Gewaltig lässt er das volle Orgelwerk aufrauschen, um dann in die andachtsvolle Versenkung mit ihren klangfarblichen Finessen zu fallen. Da schwellen Klangflüsse zu reißenden Strömen an. Crescendierend und ausschweifend ergießen sie sich über das gebannt lauschende Publikum. Weichgetöntes steht neben dem Fortissimoausbruch. Dann lösen sich in der Fuge alle extremen Spannungen auf. Der Organist spielt sie eilend und gefällig, lässt ihre polyphonen Verstrickungen in leuchtenden Farben deutlich werden. Nach der gewaltigen Finalsteigerung brandet dann auch spontaner Beifall auf.
Nach diesen Klangeruptionen erweist sich Johann Sebastian Bachs „Fantasia“ C-Dur BWV 570 als Labsal für die Seele: still und in sich gekehrt. Zart getönt und mit weichen Registern enthüllt sich durch des Organisten nahezu introvertierte Lesart ihr ganzer Reiz. Gemäßigt modern und ganz im Titelsinn gespielt, verbreitet sich „Morgenglanz der Ewigkeit“ von Heinrich Kaminski (1886–1946): hell und ätherisch bis hin zu strahlendem Sonnenglanz – wie es sich für die klanggewordene Ewigkeit gehört.
Johannes Brahms’ Choralvorspiel „Herzlich tut mich erfreuen“ op. 122/4 macht seinem Namen durch die innere Einkehr alle Ehre. Jan Dolezel meidet jegliche registratorische Mätzchen, hält Schlussakkorde lange aus, um sie entsprechend wirken zu lassen. Das beweist er auch in der „Konzertfantasie über den St. Wenzel-Choral“ op. 65 von Josef Klicka (1887–1966), einem erhabenen, zerklüfteten, in Regernähe stehenden Werk. Der Bogen hat sich geschlossen. Peter Buske
Peter Buske
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