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Kultur: Farbenleuchten

Orgelsommer-Finale mit Matthias Jacob

Stand:

Sich in einem Gotteshaus mit dem Rücken zum Altar zu setzen, kommt einer Missachtung der rituellen Stätte gleich und ist dank fest installierter Sitzbänke in den meisten Kirchen gar nicht möglich. In der bestuhlten Friedenskirche schon. Seit 2004, mit der Weihung der Woehl-Orgel, ist dort die Sitznormalität aus den Fugen: viele Besucher suchen beim Hören den Blick zur Empore, obwohl es dort vom Organisten nichts zu sehen gibt. Beim Abschlusskonzert der Orgelsommer-Saison stellte sich die Sitznormalität fast wieder her. Es geht also doch, der Weihe des Raumes zu entsprechen! Zum Finale führte „Hausherr“ Matthias Jacob mit einem stilistisch breiten Programm erneut den Facettenreichtum der Königin der Instrumente vor.

Auch er stellte Dietrich Buxtehude an den Anfang seines Programms, die er zuvor erläuterte. Farbenprächtig und zungenstimmenreich spielte er die d-Moll-Toccata, siedelte sie zwischen verspielt, innig, festlich-strahlend an. Später erklang die d-Moll-Passacaglia, ebenfalls lieblich und inniglich. Im Kontrast dazu stand Gisbert Näthers „Präludium festivum“ op. 136, das von Matthias Jacob zur Orgelweihe uraufgeführt und seither von ihm wiederholt gespielt wurde. Erneut bereitete es Freude, der Mischung aus meditativen und bedrohlichen Teilen sowie den Verästelungen des Bachschen Themas aus dem „Musikalischen Opfer“ hörend nachzuspüren. Dann die „Rolle rückwärts“ – zu Bachs „dorischer“ Toccata und Fuge BWV 538, deren ersten Teil er mit klaren Labialstimmen und zügig in konzertanter Bravour spielte. Schlicht und erhaben, in gemildeter Klangstrenge ertönte die Fugen-Geradlinigkeit.

Wieder ein Stil- und Stimmungswechsel: die toccatisch angelegte „Pièce heroique“ h-Moll von César Franck, die Jacob mit den Finessen der französischen Register als ein farbenleuchtendes, quasi sinfonisch ausuferndes Abbild imperialer Heldenverehrung spielte. Nicht weniger aufregend gestaltete sich auch die Wiedergabe von Max Regers Phantasie über den Choral „Wie schön leucht uns der Morgenstern“ op. 40/1, die Matthias Jacob schon beim vorjährigen Abschluss der Orgelsommer-Saison beeindruckend spielte. Diesmal hatte er, wenn die Erinnerung nicht trügt, einen tiefgründigeren, gestaltungsdifferenzierteren und souveräneren Umgang mit dem Werk gefunden. Unter Zuhilfenahme von Crescendowalze, starkem Tremulanten, Echowerk, kennerhaft ausgewählten Zungenstimmen führte er die klangliche Textexegese in die an- und abschwellende Erhabenheit, schließlich zu gewaltiger Steigerung. Meisterlich.

Und ein würdiger Epilog für die künstlerisch ertragreiche 17. Orgelsommersaison. Leider saß bei keinem der 14. Konzerte eine Organistin auf den beiden Orgelbänken. Vielleicht lässt es sich für 2008 ändern?! Auch, das die lobenswerten Erläuterungen der Organisten sich mehr auf das „Warum“ ihrer Programme orientieren sollten als auf die bloße Wiederholung der im Programmheft nachlesbaren Abfolge. Da im nächsten Jahr der 100. Geburtstag von Olivier Messiaen sowie die 225. Todestage von Georg Böhm und Francois Couperin anstehen, sollten die eingeladenen Organisten eine entsprechende Spielverpflichtung erhalten. An beiden Instrumenten, denn die Schuke-Orgel der Erlöserkirche soll bis zum Saisonstart wieder zur Verfügung stehen: gereinigt, neu intoniert, überarbeitet in der Mechanik und mit neu belegter Tastatur. Und in der Friedenskirche sitzen alle in der richtigen Richtung: mit Blick zum Altar! Peter Buske

Peter Buske

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