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Kultur: Farbenreich

Orgelmusik mit Björn Wiede in St. Nikolai

Stand:

Dass an der neuen Altarorgel der Nikolaikirche nunmehr auch „richtige“ Orgelkonzerte stattfinden (können), muss sich wohl erst noch herumsprechen. Bei Einheimischen wie Touristen. Letztere zeigten sich bei ihrer Sightseeing-Station über solche Konzertofferte sichtlich überrascht. Noch mehr, als sie erfuhren, dass es sich um ein Doppelangebot für die Spätnachmittage von Sonntag und Montag handelt. Nikolaikantor Björn O. Wiede lässt bewusst diesen doppelten „Versuchsballon“ steigen, will ihn als zusätzliches touristisches Angebot für Potsdams noch immer karge Mitte verstanden wissen. Zum Auftakt gab es bereits den Doppelpack mit Friedrich Meinel. Am vergangenen Sonntag/Montag, jeweils 18 Uhr, folgte der zweite Streich mit Björn O. Wiede.

Dem Ruf, die Woche mit Orgelmusik beginnen zu lassen, folgten leider nur wenige Interessierte. Vielleicht sollte man das Vorhaben frühzeitiger (etwa 15 Uhr) starten ?! Übrigens: Schüler und Studenten haben dabei freien Eintritt. Das Programm war ganz auf die Passionszeit ausgerichtet. Im geistigen und programmdramaturgischen Zentrum der reichlichen Orgelstunde stand Johann Sebastian Bachs Partita „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ BWV 768. Schlicht breitete Wiede die Liedmelodie aus, der sich die Choralvariationen mit jeweils kleinen Zäsuren anschlossen. So blieb die Überschaubarkeit stets gewahrt. Spannend und kontrastreich registrierte er die Strophen nach ihren jeweiligen Sinngehalten, zog flötenliebliche und schnarrende Register, verwendete interessante Kopplungen. Die Orgel konnte unter Wiedes versierter, überlegen gestaltender Hand- und Beinarbeit ihren barocken Farbenreichtum vorzeigen. Bachs Variationskünste erfuhren so eine überaus charakteristische Ausprägung.

Begonnen hatte es mit dem f-Moll-Adagio KV 594 von Wolfgang Amadeus Mozart, das sich mit einer elegisch klagenden Trauermusik (auf den Tod des Feldmarschalls Laudon) ein- und ausleitet. Dazwischen pulst die pure Lebensfreude, als gelte es die militärischen Taten des Verstorbenen zu würdigen. Zunächst verbreiten zarte Flötentöne (auf dem II. Manual gespielt) Ruhe und Andacht, ehe sich das Allegro im voluminöserem und hellgetöntem Klanggewand ausbreitet.

Vom bewusst herausgestellten Kontrast zwischen Diskant und tiefen Pedalstimmen lebt die Sonate von Johannes Weyrauch (1897-1977), der drei Jahrzehnte lang Kantoren und Organistendienste an Leipziger Kirchen leistete, Tonsatz und Theorie an der messestädtischen Musikhochschule lehrte. Alle äußerlichen oder selbstherrlichen Klangeffekte sind in der Sonate vermieden. Ernst schreiten ihre drei Sätze voran, schnörkellos verkündet sie ihre stille Botschaft. Schwebungsreich lässt Wiede sowohl Oberwerk als auch Pedal ertönen. Aus Robert Schumanns Fugensammlung über B-A-C-H op. 60 erklingen zwei Stücke, in denen sich die Orgel ganz von ihrer romantischen Seite zeigen kann. Gedämpft sind die Farben, mit denen sich der poetische Ausdruck enthüllt. Gemächlich fließt der kontrapunktisch kanalisierte Melodienstrom, der sich allmählich Helle und Bewegtheit gewinnt. Zum Schluss zieht Wiede den klingelnden Zimbelstern - ein hübscher Effekt. Getragen und weichgetönt setzt Bachs Choralbearbeitung „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ BWV 622 dem Anliegen der Orgelstunde den passenden Ausklang.

Peter Buske

Nächste Orgelkonzerte am 16. und 17. April, jeweils 18 Uhr. Björn O. Wiede spielt österliche Musik von Bach, Buxtehude, David, Langlais und Improvisationen.

Peter Buske

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