Kultur: Farbenreich
Orgelsommer klang aus mit Christian-Markus Raiser
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Sie sind arm dran, die Organisten. Man kann ihnen beim Spielen nicht zusehen wie anderen Solisten. Diese können optisch Atmosphäre verbreiten. Der Organist nicht. Er bedient einen Apparat: Taste drücken, Luft rein in die Gerätschaft, Ton klingt, Taste loslassen, Luft weg, Ton aus. Und dennoch: der künstlerischen Handschriften sind so viele wie es Organisten gibt! Zwölf von ihnen lernten wir auch diesmal wieder beim Internationalen Orgelsommer kennen. Zum Abschluss spielte Christian-Markus Raiser, Organist der Stadtkirche Karlsruhe, an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche ein reizvolles Programm quer durch die Zeiten.
Bach (wer sonst?!) eröffnet die Klang reise mit der Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542, deren erhaben einherschreitender Duktus vom Organisten mit allem Nachdruck herausgestellt wird. Principalgeschärfte Stimmen sorgen für jenen durchdringenden Bach-Klang, wie man ihn kennt und liebt. Einen fast volkstümlich Stil lernen wir dagegen in der Partita über „Jesu meine Freude“ von Johann Gottfried Walther kennen. Nachdem die Melodie sich im schnarrenden „Vox humana“-Register vorgestellt hat, folgen abwechslungsreich registrierte Variationen, eine überraschender als die andere.
Diese Kunst, mit farbenreichen Mixturen die Fülle des menschlichen Empfindens zum Ausdruck zu bringen, führt uns Christian-Markus Raiser im Verlaufe des Abends immer sinnfälliger vor. Dem Mozartschen F-Dur-Andante KV 616 sucht er das ihm innewohnende Leierische gründlich auszutreiben: durch klare Diktion, gläsern klingende Stimmen, pointiertes Spiel, leichte rhythmische Verschiebungen. Zu humoristischen Miniaturen weitet der Organist „Vier Skizzen für Pedalflügel“ op. 58 von Robert Schumann. Wo es erforderlich scheint, zieht er die „Trompete“, um dann mit Zungenstimmen für romantisch verschwommene Stimmungen zu sorgen.
Sehr anregend, wenngleich nicht immer aufregend, hören sich drei Stücke von skandinavischen Komponisten an. Ziemlich klangdüster und schwerblütig tönt das Largo aus der 1. Sinfonie von Eivind Grooven (1901-1977) in der Bearbeitung von Christian-Markus Raiser. Wesentlich origineller zeigt sich dagegen die Suite seines Lehrers Jon Laukvik (geb. 1952), die mit allen Zutaten moderner Schreibweise versehen ist. Dazu zieht er näselnd-quäkende Zungenstimmen für die „Fugue“. Jazznah zeigt sich das „Duo“, stimmungsgetragen das „Recit“, während „Grand jeu“ sich im wahrlich großen Spiel bei der Schichtung von chromatisch geschärften Akkordblöcken offenbart. Als Registrierungsmeister erweist sich der Organist abschließend in der effektvollen Bearbeitung der „Vier norwegischen Tänze“ op. 35 von Edvard Grieg (1843-1907). Tänzerisch auftrumpfend kommen sie daher, leicht und graziös, beschwingt bis temperamentvoll, schließlich gassenhauerisch. Ein folkloristisch gefärbter Kehraus. Ihm fällt reicher Beifall zu.
Nun ist der Orgelsommer erfolgreich zu Ende gegangen. In der Erinnerung bleiben viele erlebnisreiche Stunden – die wenigen weniger geglückten haben die kleinen grauen Zellen längst von der „Festplatte“ gelöscht. Aus den Erfahrungen beim zeitgleich veranstalteten „Caputher Orgelsommer“ sei KMD Matthias Jacob als Spiritus rector vorgeschlagen, die Künstler selbst mögen dem Publikum von den Ambitionen ihres Programms künden. Das schüfe neben der Wissensbereicherung eine ideelle Verbundenheit, die das Fehlen der optischen Atmosphäre ein wenig vergessen machen würde. Peter Buske
Peter Buske
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