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Von Babette Kaiserkern: Farbenspiele

Überzeugende Premiere von „Märchenherz“

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Von der Bühne der Reithalle hängt eine riesige Plastikplane herab. Dreh- und schwenkbar wie sie ist, dient sie im Verlauf des Theaterstücks „Märchenherz“ als Vorhang, Leinwand, Projektionsfläche und Trennwand. Zum Schluss strotzt sie vor bunten Farben. Was wie ein großes Action-painting-Gemälde aussieht, bildet die Kulisse für die Geschichte von Gideon (Holger Bülow) und Kirsty (Nele Jung), die von Kerstin Kusch für das Junge Theater am Hans Otto Theater inszeniert wurde und am Donnerstag Premiere hatte.

Das patente Bühnenbild und die Kostüme verantwortet Nikolaus Fringe. „Märchenherz“ erzählt die Geschichte der beiden Jugendlichen Kirsty und Gideon, die in einem grauen Hochhausquartier irgendwo in einer großen Stadt leben. Noch dazu ist es lausekalt, als Kirsty nachts Zuflucht im Gemeindezentrum sucht und dort unerwartet auf Gideon trifft. Der vertreibt sich in dem leer stehenden Gebäude die Zeit mit dem Bemalen der Wände. Kirsty interessiert das gar nicht, auch die angebotene Jacke weist sie ab und von Thermo-Unterwäsche will sie schon gar nichts hören.

Wütend ist sie von ihrer eigenen Geburtstagsfeier abgehauen. Dass ihr eigener Vater dort seine neue Verlobte vorstellen will, konnte sie nicht ertragen. Gideon erweist sich als Helfer, Guide und Coach auf eigene Art. Weder analysiert er, noch appelliert er an die Vernunft, sondern er beschwört die Macht der Phantasie. Wie sein Schöpfer, der preisgekrönte britische Autor Philip Ridley, ist er Maler und Dichter zugleich. Mit Pinsel und mit Worten schafft Gideon ein Zwischenreich der Imagination, Karamasu genannt. Dort kann aus dem düsteren Stadtmoloch im Schnee ein blinkendes Wunderland werden, dort leben Blumen, Vögel und Schmetterlinge, auch wenn letztere vielleicht in Wirklichkeit Kanalratten sind.

In diesem Märchenreich entspinnt sich die nun Geschichte von der Prinzessin und ihrem alten Vater, für den sie sorgen soll, den sie aber auch nicht loslassen kann, eine Art Parabel auf die Lebenssituation von Kirsty. Geschickt umschifft die Inszenierung einige Momente, wo der Zeigefinger erhoben wird, wie beim Freundlichkeitsspiel. Weniger die Erkenntnis, sondern Tanzen, Spielen und Malen setzen das Leben in Bewegung, findet Gideon und geht mit guten Beispiel voran. Sei es als Techno-Tänzer, als Erfinder von Spielen oder als ekstatischer Farbenwerfer. Wobei letzteres für ihn, sehr zur Erheiterung der Zuschauer, wie Küssen ist. Mit seiner überzeugenden Darstellung des Gideon mit Tönen von Begeisterung, Lakonie und Parodie erreicht Holger Bülow die jungen Zuschauer in der Premiere allemal.

Als Kirsty hat es Nele Jung nicht ganz so leicht. Sie spielt eine kalte Vorstadtgöre, die Fünfzehnjährige nimmt man ihr bei aller Beweglichkeit nicht unbedingt ab, zu herbe bleibt ihre Figur bis zuletzt. So erweist sich das knapp 80 Minuten lange Stück letztlich als brillantes Solo für den poetischen Magier Gideon, mitreißend verkörpert von Schauspieler Holger Bülow. Für seine farbigen Theaterzaubereien erhält aber das gesamte Ensemble viel Beifall.

Nächste Vorstellungen am Donnerstag, 27. März, und Freitag, 28. März, jeweils um 18 Uhr in der Reithalle A, Schiffbauergasse. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 98 11 8

Babette Kaiserkern

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