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Kultur: Fast ohne Bach

Monteverdi-Chor Hamburg sang in St. Nikolai

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Das nennt man vorbildlich: Eine nach protestantisch-liturgischen Regeln zusammengestellte Folge adventlicher Chormusik. Auf seiner Chorfahrt nach Berlin und Potsdam machte der Monteverdi-Chor aus Hamburg am Sonntag in der Nikolaikirche halt. Wie man hörte, war deren Akustik, gemessen am Dom der Bundeshauptstadt, für den fünfundfünfzigköpfigen Chor eine Wohltat. Gothard Stier jedenfalls tat alles, der vollen Kirche in Potsdam mit der Programmfolge „O magnum mysterium“ ein adventliches Erlebnis zu schaffen. Der Chor wurde 1955 von Jürgen Jürgens „zur Akademischen Musikpflege der Universität Hamburg“ gegründet, Gothart Stier, zuvor als Kreuzkantor bekannt, übernahm ihn 1994.

Seine umfänglichen Erfahrungen mit der Chormusik im Allgemeinen und der A-capella-Kultur im Besonderen kommt den ausdrucksstarken Hamburgern offenbar sehr zugute. Man hatte sich zwanzig Parts aus fünf Musik-Jahrhunderten zur Pflicht gemacht. Nikolaiorganist Björn O. Wiede gab mit Mendelssohns Präludium und Fuge in d-Moll und seiner Improvisation zu dem Choral „Es kommt ein Schiff geladen“ Möglichkeiten, an programmatischen Nahtstellen zu applaudieren.

Das Hamburger „Magno mysterio“ begann mit Andreas Hammerschmidts Motette „Machet die Tore weit“, frisch intoniert, mit leichtem Staccato. Vierstimmig folgte dann Michael Praetorius“ „Der Morgenstern ist aufgedrungen“ recht sanften Tones. Der semiprofessionelle Chor zeigte, wie sicher und schön man einen Max Reger („Unser lieben Frauen Traum“) oder Johannes Brahms“ „O Heiland, reiß die Himmel auf“ zu interpretieren versteht.

Nach dem ersten Orgelstück übertrafen Komponisten wie Francis Poulenc („O magnum mysterium“) und das wunderbare „Virga Jesse“ von Anton Bruckner die traditionelle Literatur an Ausdruck und Innigkeit. Frisch, geradezu fröhlich ertönte Poulenc“s „Hodie Christus natus est“, mit Rührung vernahm man Max Regers „Schlaf wohl, du Himmelsknabe“, während Bachs „O Jesulein süß“ wenigstens anfangs etwas fremd zu klingen schien. „Liturgisch“ eingebettet war auch das schlichte „Zu Bethlehem geboren“, ein fränkisches Volkslied in einem Satz von M. Georg Winter, doch über theologische Abläufe dieses neunzigminütigen Konzertes ist hier nicht zu befinden, auch nicht, wie gut sich Reichardts „Heilige Nacht“ in den strengkomponierten Kontext der übrigen Literatur einfügte. Michael Praetorius“ „Es ist ein Ros entsprungen“ beendete es auf recht traditionelle Art.

Sechzehn Komponisten unterschiedlichster Stile in ein überzeugendes Mit- und Nacheinander zu bringen, erwies sich als nicht unproblematisch. Lobenswert, es mal (fast) ohne den großen Bach zu versuchen, aber vielleicht hätte man dabei mehr seinem musikalischen Gefühl vertrauen sollen, als gewissen Formeln.Gerold Paul

Gerold PaulD

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