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Mit flirrenden Fingern. Mohammad Reza Mortazavi spielte schon als Kind die persischen und arabischen Trommeln mit unerreichter Perfektion.

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Kultur: Fast schon Zauberei

Mohammad Reza Mortazavis fliegende Hände im Nikolaisaal

Stand:

Einfach die Augen schließen und sich nur auf die Ohren verlassen. Es braucht solche Momente im Konzert mit Mohammad Reza Mortazavi. „Die schnellsten Hände der Welt“ attestierte das Programmheft diesem jungen, stillen Mann, der fast ein wenigen verloren auf der kleinen Bühne im Foyer des Nikolaisaals wirkte. Ein Stuhl, drei Mikrofone, dazu je ein Tombak, die persische, kelchförmige Handtrommel, und ein Daf, die arabische Rahmentrommel, die wie ein riesenhaftes Tambourin wirkt. Ein Mann und seine Trommeln, ein exotisches Konzert mit viel Folklorehauch und 1001-Nacht-Atmosphäre für ein überschaubares Publikum an diesem Freitagabend, mochte mancher denken.

Doch weder noch. Das Konzert war ausverkauft, vor dem Nikolaisaal warteten hartnäckig Kartensucher, die auf etwas Glück hofften. Und musikalisch? Die lange Tradition der Musik aus seiner iranischen Heimat steht bei Mortazavi natürlich im Vordergrund. Doch was er im Laufe eines Abends daraus macht, das überwältigt oft und überfordert nicht selten die eigenen Sinne. Darum immer wieder mal die Augen schließen und sich allein auf die Ohren verlassen.

Im Alter von sechs Jahren soll Mohammad Reza Mortazavi in seiner Heimatstadt Isfahan mit dem Spiel auf der Tombak begonnen haben. Der kleine Mohammad lernte so schnell, dass sein Lehrer ihm schon nach drei Jahren nichts Neues mehr beibringen konnte. Ein Jahr später, im Alter von zehn Jahren, gewann Mohammad Reza Mortazavi das erste Mal den jährlich stattfindenden iranischen Tombak-Wettbewerb, an dem nur die besten Musiker des Landes teilnehmen dürfen. „Die Folgejahre müssen für die anderen Tombak-Spieler äußerst frustrierend gewesen sein, denn Mortazavis Siege wurden zur Serie. Im Alter von 20 Jahren galt der heute 33-Jährige für viele schon als der beste seines Faches.

Es sind ja im Grunde immer die gleichen Wunderkind- und Staunegeschichten, die der Besucher von Konzerten in den Programmheften zu den jeweiligen Solisten offenbart bekommt. So sitzt er da, liest die zahlreichen Heldentaten und wartet darauf, dass der Halbgott in Menschengestalt doch endlich die Bühne betritt und ihn mit seiner virtuosen Kunst beglücke.

Mohammad Reza Mortazavi trat, ganz in Schwarz gekleidet, eine zweite Daf unter dem Arm, fast schon scheu lächelnd in das Foyer des Nikolaisaals, nahm auf seinem Stuhl Platz, nickte kurz und freundlich in den Applaus des Publikums und fing an zu spielen. Ein einfacher Rhythmus – Tammm Tamtam, Tammm Tamtam – den er immer wiederholte. Geduldig und beruhigend, langsam und sanft dieAufmerksamkeit fordernd und lenkend, fast so, als wollte er alle auf einen gemeinsamen, von seiner Daf vorgegebenen Pulsschlag bringen. Und dann fügte er ein rhythmisches Element nach dem anderen hinzu. Mal ergänzend, mal gegenläufig, mal ein wilder Triller mit den Fingern am Rahmenrand, mal ein Streicheln, mal ein Kratzen auf dem Trommelfell in der Mitte. Klangschicht lagerte sich über Klangschicht, ein kompliziert-faszinierendes Geflecht, das Mortazavis Hände dort entstehen ließen. Bilder und Geschichte, raffinierte Klangcollagen, die immer wilder, immer treibender wurden. Er ließTombak und Daf schluchzen, weinen und lachen, ließ sie murmeln, säuseln und flüstern und immer wieder jubilieren.

Es gab oft Momente an diesem Abend, da wollte man Mohammad Reza Mortazavi glattweg als Mr. Dancehall bezeichnen. Denn was er da treibend und rasend schnell, getragen von einem bassbrummenden Rhythmus in ständigen Wiederholungen variierte, das würde ihn auch zum Liebling in manchem Dancehall- und Technoklub machen. Nur war hier nichts elektronisch, sondern alles handgemacht.

Was die Hände von Mohammad Reza Mortazavi betrifft und die attestierte Schnelligkeit, dafür sprach allein schon das Klangerlebnis. Beobachtete man das Flirren seiner Finger, war das oft wie eine optische Täuschung, so als würde da einer wie im Film mit Zeitraffer arbeiten. Es gab in diesem Konzert, das vor allem von den schnellen, treibenden und weniger von den ruhigen Rhythmen lebte, oft genug Momente, da überforderte die Kunst von Mohammad Reza Mortazavi die eigenen Sinne. Dann hieß es die Augen schließen. Und was sich dann in den Ohren abspielte, das grenzte fast schon an Zauberei. Wollte man an dieser Stelle davon erzählen, entstünde ganz schnell eine weitere Staunegeschichte über den Virtuosen Mohammad Reza Mortazavi.

Dirk Becker

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