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Kultur: Fasten mit Bach

Orgelkonzert in der Nikolaikirche

Stand:

Ist es nicht ein bisschen früh, bereits Anfang März zu einem Orgelkonzert zur Passionszeit einzuladen, wie es Nikolaikantor Björn O. Wiede am Samstag tat? Ist diese Zeit der Passion, der Reflexion auf das Kommen und Wirken Jesu, nicht erst kurz vor dem Osterfest angesagt? Wenn nicht: Hätten dann die drei tollen Tage mit ihrem bußfertigen Aschermittwochsfinale und dem Fastengebot vielleicht doch etwas miteinander zu tun?! Dann wäre dieses Orgelkonzert ja tatsächlich eine frühzeitige Einstimmung auf den Beginn der Fasten-, besser: der Passionszeit, jenes ersten Teils des Osterfestkreises, wie ihn der Ablauf des Kirchenjahres festschreibt. Vielleicht sollte man sich bei derlei Überlegungen von dem Gedanken freimachen, dass Fasten ja nicht den radikalen Verzicht auf bestimmte Konsumgüter oder Nahrungsmittel bedeutet, sondern innere Einkehr und Nachdenken darüber, verantwortungsvoll und nachhaltig mit der Schöpfung umzugehen.

Derlei Überlegungen mögen manchen der nicht sonderlich zahlreich erschienen Besucher in der Nikolaikirche bewegen, als er passionsbezüglichen Werken von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy lauscht, die Björn O. Wiede auf der Kreienbrinkschen Altarorgel ertönen lässt. Zu Beginn sorgt die Partita „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ BWV 768 für die angemessene innere Bereitschaft auf das Bevorstehende. Der Choral entstammt Christian Keimanns „Gotha Gesangbuch“ aus dem Jahr 1666 und ist von Bach textnah vertont worden. Ebenso hält es der Organist, der die Variationen sehr fantasiereich registriert, überwiegend weich getönt und sehr schlicht, aber eindringlich vorträgt. Im Gegensatz dazu lässt Wiede die Passacaglia c-Moll BWV 582 in all ihrer Größe und Erhabenheit entstehen. Die Schärfe der fast ausschließlich verwendeten Prinzipalstimmen trägt dazu bei, die langsam fortschreitende harmonische Entwicklung in aller Eindringlichkeit vorzeigen zu können. Allmählich hinzutretende Stimmen erzeugen dem Stück zunehmende Fülle und Lautstärke. Es scheint, als wüchse ein solide gegründetes, aus festem Mauerwerk gefügtes Klanggebäude mit zahlreichen sparsam ausgestatteten Räumen stetig in die Höhe. Sehr beeindruckend.

Nicht so das „Mattheus Final“, eine mehr als merkwürdige Bearbeitung des Schluss-Chores „Wir setzen uns mit Tränen nieder“ aus Bachs „Matthäuspassion“ von Charles-Marie Widor. Von der dem Original innewohnenden Ergriffenheit über Jesu’ Tod ist weit und breit keine Spur zu entdecken. Wollte der französische Organist und Komponist sie durch schnelle Tempi und der Vorschrift zur Verwendung geschärfter Prinzipalstimmen bewusst meiden? Oder geht der Eindruck von durchdringender Direktheit und einem Vortrag gleichsam ohne Punkt und Komma auf das Konto von Björn O. Wiede?

Was für eine Labsal dagegen zwei Präludien und Fugen aus op. 37 von Mendelssohn, die von Anfang bis Ende Bachschen Geist atmen. Volltönend und erhaben, mit viel figurativem Melodienschmuck in den Oberstimmen zeigt sich der Doppelpack in c-Moll, der in d-Moll zusätzlich noch in gedeckten Farben. Auffallend hier die Zitate aus der sechsten Kante des Bachschen „Weihnachtsoratoriums“ („Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“).

Ein festliches Nachspiel voll jubilierender, fast rauschhafter Freude entpuppt sich als Mendelssohns Postludium und Fughette D-Dur. Im vollen Orgelwerk gespielt, entlässt es die Zuhörer voller Zuversicht in die beginnende Passionszeit, die ihren Endpunkt im Osterfest finden wird. Peter Buske

Peter Buske

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