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Kultur: Faszinierend

Güttlers Bach-Collegium in der Erlöserkirche

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Keiner wie er verfügt über einen solchen samtweichen Ansatz. Keiner wie er bläst so gestochen klar zur virtuosen Attacke. Keiner wie er schmeichelt sich mit solcher Lockerheit in die Ohren wie Ludwig Güttler. Und das seit fast vier Dezennien. Was also über ihn und seine Blaskunst schreiben, ohne sich zu wiederholen?! Vielleicht, dass er bei seinem Auftritt mit dem Leipziger Bach-Collegium in der Erlöserkirche nichts von seiner Faszination eingebüßt hat? Grauschopfiger ist er geworden, kurzhaariger auch, aber nicht kurzatmiger. Noch immer verfügt er über jenes immense Lungenvolumen, wodurch die Töne kraftstrotzend, glanzvoll und mühelos den Raum erfüllen.

Doch die meisterlich beherrschte Technik allein ist’s nicht, die ihn auszeichnet. Vielleicht das Vermögen, tief ins Innere der Musik einzudringen?! In nur drei von sieben Stücken tritt er solistisch in Erscheinung – natürlich viel zu wenig für seine Fans, die ihn am liebsten den ganzen Abend lang gehört hätten. Man spielt natürlich Barockmusik. Auf modernen Instrumenten, aber in historisierender Denk- und Spielweise. Getreu ihrer Devise: warum die Unzulänglichkeiten alten Instrumentariums kultivieren, wenn sich auf heutigem viel differenzierter artikulieren und klanglich weit farbiger musizieren lässt?! In der einleitenden C-Dur-Sonate für Trompete, Oboe und continuo von William Corbett (um 1700-1748) stellen sie es unter Beweis. Festliche Klänge beherrschen das Stück, wobei sich die Piccolotrompete strahlend, zart und leidenschaftlich, voller jubilierender Triller einen köstlichen Wettstreit mit der weich und ebenmäßig tönenden Oboe (Frank Sonnabend) liefert. Klitzekleine Klangtrübungen bei Güttlers Spiel werden vom Meister sofort durch handwerkliche Tricks am Blasrohr beseitigt.

Reizvolle Klangmischungen ergeben sich durch die solistischen Paarungen von Flöte und Oboe in der c-Moll-Triosonate von Johann Joachim Quantz (1697-1773), in der sich Karl-Heinz Passin auf dem Querrohr mit dem Oboisten einen klangsinnlichen Gedankenaustausch liefert. Auch die Verbindung von Flöte mit Violine in der c-Moll-Triosonate aus Johann Sebastian Bachs „Musikalischem Opfer“ vermag Gemüt und Geist anzusprechen, wobei letzterer beim Entdecken polyphoner Strukturen besonders gefordert ist. Zu beiden Musikern gesellt sich noch Michael Pfaender (Violoncello) hinzu, als es gilt, Antonio Vivaldis d-Moll-Concerto im besten kammermusikalischen Einvernehmen frisch und flott zu spielen. Dabei mischen sich elegante Flötentöne mit straffem, präzise artikuliertem Geigenklang (Heike Janicke). Doch auch das Continuo mit Friedrich Kircheis (Cembalo) und Slawomir Rozlach (Kontrabass) darf mit den anderen in Johann Christian Bachs galantem, von fast Mozartscher Anmut erfülltem D-Dur-Quintett konzertierend in Erscheinung treten.

Vor der Pause und zum Finale zeigt der Meister gemeinsam mit Oboe und Violine noch einmal sein Können. Auf dem dunkler getönten Corno da caccia in einem vermutlich Quantzschen Es-Dur-Konzert; auf der Trompete in der C-Dur-Sonate von Gottfried Finger (um 1660-nach 1723), die sich als eine glanzvolle, virtuose Spielmusik entpuppt. Fazit: Es zahlt sich aus, wenn ein Ensemble vorwiegend aus dem gleichen, hier: sächsischen Raum stammt und von dessen Musiktraditionen geprägt ist. Stürmischer Beifall und ein Dakapo des Finger-Finales. Peter Buske

Peter Buske

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