Kultur: Faszinierend
Christian Skobowsky in der Friedenskirche
Stand:
„Orgelspielen heißt, einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren“, lautet das schon zu Beginn des Internationalen Orgelsommers zitierte Credo des französischen Spätromantikers Charles Marie Widor. Auch wenn keines von dessen Werken im Programm von Christian Skobowsky vertreten war, hielt sich der Ratzeburger Domorganist bei seinen packenden Wiedergaben von Werken aus deutsch-französischen Tastengefilden, mit denen er an der Woehl-Orgel in der gut besuchten Friedenskirche reüssierte, an das Bekenntnis des Altvorderen. Doch bereits bei seinem Orgelsommer-Auftritt 2006 an der Schuke-Orgel der Erlöserkirche kündete er mit einem erlesenen Programm von solchen Intentionen: seiner Liebe zur Historie und einer an den Quellen orientierten Lesart.
Solche Einstellung bestimmte auch die mittwochabendliche Vortragsfolge, die sich inhaltlich mit dem „Wort Gottes, das Mensch geworden ist“ beschäftigte. Dazu wolle er sich, erläuterte er zuvor dem Publikum, „vom 20. Jahrhundert aus rückwärts in die Vergangenheit begeben“. Ein dramaturgisch durchaus überzeugendes Konzept, dem er schon 2006 huldigte – allerdings in umgekehrter Chronologie.
Dissonanzen in Diskantlage eröffnen das zweiteilige Glaubensbekenntnis „Le verb“ (Das Verb) aus dem Zyklus „Die Geburt des Herrn“ von Olivier Messiaen. Dazu klingt unter dieser eintönigen, reichlich schroffen und herben Klangfläche im Pedal eine beunruhigende Melodie. Ist’s die Stimme des Herrn, die sich im zweiten Teil dann als besänftigendes „Wort des Lebens“ offenbart? Weiche, leicht tremolierende, in gläsernem Glanz sich verströmende Zungenstimmen lassen es vermuten. Was einige Zuhörer anfangs verschreckt, führt sie alsbald in einen von innerer Spannung erfüllten Zustand, um dem Klang-Wort ganz entspannt zu lauschen. Ins volle romantische Orgelleben führt die 3. Sonate c-Moll von Alexandre Guilmant, die von Kontrasten lebt. Lautes wechselt mit Leisem, akkordisch geschichtete Quader mit schroffen Kanten erhalten verspielte Garnierungen, das Majestätische geradezu imperialen Glanz. Im Kontrast dazu steht das Adagio: ätherisch schwebend, weich getönt, seelenerbaulich in seinem An- und Abschwellen. Spannend artikuliert Christian Skobowsky auch die Fuga, die er mit der Allgewalt der durchdringenden Prinzipalstimmen zu gebührender Wirkung bringt.
Anders als mit sehr weichen Stimmen lässt sich die verinnerlichte Betrachtung über den Choral „Schmücke dich,,o liebe Seele“ kaum spielen. Weder die Variante von Johannes Brahms noch die von Johann Sebastian Bach, denen der Organist eine gewisse Zärtlichkeit und Intimität verleiht. Für die Bachsche Version bevorzugt er allerdings eine eher irdische Direktheit und ein Soloregister, das die menschliche Stimme imaginiert. Wie genau Christian Skobowsky sich mit den schier unendlichen Klangmöglichkeiten der Woehl-„Königin“ beschäftigt hat, zeigt die Wiedergabe von Bachs Praeludium und Fuge G-Dur BWV 541, die sich als hell getönter, flink und fröhlich gespielter Doppelpack in italienischer Concerto-Manier vorzeigen. Nicht weniger farbenfantasievoll registriert er die Toccata septima von Georg Muffat , wobei reichlich viel Schnarrwerk den Klang von Pommern, Zinken und Flöten nachahmt. Langsam und feierlich wie begonnen endet der Abend mit der verzierungsreichen Kolorierung einer Hassler-Motette durch Heinrich Scheidemann, in der es heißt: „Das Word ward Fleisch und wohnte unter uns“. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: