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Skulptur von Wang Shugang: Einer seiner sechs fegenden Mönche im Ensemble der Friedenskirche.

© Stefan Maria Rother

Von Babette Kaiserkern: Fegende Mönche Fernöstlich-westlicher Dialog mit Wang Shugang und Stefan Pietryga an der Friedenskirche

In den Kreuzgängen der Friedenskirche von Sanssouci haben die Kehrwochen begonnen. Kleine rote Mönche fegen Wege und Stufen frei.

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In den Kreuzgängen der Friedenskirche von Sanssouci haben die Kehrwochen begonnen. Kleine rote Mönche fegen Wege und Stufen frei. Ihre Haltung wirkt hoch konzentriert, der Blick tief versunken, ihr Bemühen erscheint ernsthaft und eindringlich. Die Skulpturen des chinesischen Künstlers Wang Shugang beleben das museale Ambiente der Friedenskirche Sanssouci, setzen knallige Kontrapunkte zum preußisch-toskanischen Gelb der Fassaden und regen in jeder Hinsicht zum Schauen und Begreifen an.

Ausgedacht hat sich das virtuose Spiel zwischen den Kulturen der in Potsdam ansässige, renommierte Bildhauer Stefan Pietryga. Mit der zielbewussten Beharrlichkeit des Westfalen gelang es ihm, Hartmut Dorgerloh, Direktor der Preußischen Schlösser und Gärten, von diesem außergewöhnlichen Projekt zu überzeugen. Verschiedene glückliche Umstände standen bei diesem künstlerischen Ereignis Pate.

Stefan Pietryga ist spezialisiert auf die Neuinterpretierung von vorgegebenen Räumen mittels Skulpturen. Zwischen ihm und Wang Shugang besteht eine langjährige Freundschaft. Nachdem Wang Shugang die renommierte Pekinger Kunstakademie absolviert hatte, arbeitete er Anfang des neunziger Jahre zwei Jahre lang als Assistent von Pietryga. Seit dem Jahr 2000 lebt Wang Shugang, der internationales Renommee erreicht hat, wieder in Peking. Die sechs roten, konkret als tibetisch erkennbaren Mönche in der Friedenskirche sind die letzten aus der über die ganze Welt verstreuten Serie „Sweeping“ (2003). Dass eine solch alltägliche und global übliche Tätigkeit wie das Fegen zu einem künstlerischen Sujet werden kann, ist nur eines der ungewöhnlichen Merkmale von Wang Shugangs Kunst. Was Fegen bedeutet, kann jeder nachvollziehen, ganz besonders jetzt beim herbstlichen Blätterfegen.

Doch was in Deutschland meistens mit Pflicht verbunden wird, besitzt vielfältige Aspekte. Als künstlerischer Vorläufer kann Joseph Beuys genannt werden, der nach jeder Demonstration die Reste aufkehrte, um dem Neuen Platz zu machen – der Besen als Freiheitsprinzip. In Indien kann man Menschen sehen, die den Weg vor sich fegen, um nicht aus Versehen auf Lebewesen zu treten. Bekannt sind auch buddhistische Zen-Mönche, die in meditativer Versunkenheit ihre Gärten harken.

Verblüffend ist bei Wang Shugangs Mönchen zunächst die lebendige, quasi realistische Präsenz der aus Polyester gegossenen Figuren – bis hin zu den Gesichtszügen, die den Künstler selber zeigen. Von ihnen geht, bei aller Bescheidenheit der Haltung und der Tätigkeit, eine starke geistige Kraft aus. Die monochrom verwendete rote Farbe hingegen verweist auf die Konzept-Kunst – so breit sind die Assoziationsmöglichkeiten, so symbolisch chiffriert die möglichen Bedeutungen, unter anderem auch als Farbe des Kommunismus. Im Ensemble der Friedenskirche ergeben sich viele neue Perspektiven, manches erscheint überraschend. Das vom Friedrich Wilhelm IV., dem „Romantiker auf dem Thron“ errichtete Bauwerk war ja in gewisser Weise stets eine Fiktion, denn wirkliche Mönche sind nie über die Kreuzgänge gegangen. Jetzt aber blickt einer der kleinen Roten auf die weißblaue Säule im Marlygarten, ein anderer setzt die Maserungen einer uralten Platane ins Bild, ein weiterer die Mosaiken des Fußbodens, die Reliefs an der Wand.

Erstaunliche Kontraste zeigen sich im Atrium, das von Bertel Thorvaldsens mächtiger Christus-Statue beherrscht wird. Die kleine Mönchsgestalt am Rand lädt zu einem intensiven Dialog zwischen fernöstlichem Kulturkreis und westlich-christlicher Tradition und Kunstgeschichte ein. Auf den ersten Blick bestechen äußere Ähnlichkeiten wie beim Faltenwurf der Kleidung, in der Haltung des nackten Arms.

Doch sonst könnten die Unterschiede größer nicht sein – hier paternalistischer, pathetischer, imperialer Gestus, dort demütig gebückte, kontemplative Haltung. Wenn Kunst so vieldeutig, bewegend und inspirierend wirkt, wie die fegenden Mönche von Wang Shugang in Stefan Pietrygas Potsdamer Installation, wird die Zukunft – nicht nur der Kunst – weit geöffnet.

Zu sehen bis zum 10. Oktober, täglich von 12 bis 18 Uhr in den Säulengängen und Höfen der Friedenskirche im Park Sanssouci.

Babette Kaiserkern

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