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Von Babette Kaiserkern: Feinnervige, elektrisierende Klänge Das Open-Air-Vorabendkonzert der Schlössernacht

Als die Sonne hinter dem Communs am Neuen Palais untergeht, erscheint eine andere Sonne auf der Bühne. Beim Open Air-Konzert am Vorabend der Schlössernacht illuminiert die argentinische Cellistin Sol Gabetta das erste Cellokonzert von Josef Haydn mit verführerischem Glanz.

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Als die Sonne hinter dem Communs am Neuen Palais untergeht, erscheint eine andere Sonne auf der Bühne. Beim Open Air-Konzert am Vorabend der Schlössernacht illuminiert die argentinische Cellistin Sol Gabetta das erste Cellokonzert von Josef Haydn mit verführerischem Glanz. Dass ihr Vorname nicht umsonst „Sonne“ bedeutet, stellte sie beim Spiel auf ihrem 250 Jahre alten Instrument G. B. Guadagnini eindrucksvoll unter Beweis.

Inzwischen ist das zum fünften Mal durchgeführte Open Air-Konzert am Vorabend der Schlössernacht eine gute Institution geworden. Stets kommen renommierte Orchester und berühmte Solisten zu einem hochkarätigen Konzert vor historischer Potsdamer Kulisse. Als besonderer Glücksfall erweist sich im aktuellen Haydn-Jahr die Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie. Das 1987 gegründete Orchester spielt Haydn in einem ganz eigenen Tonfall und kultiviert die Klangtraditionen der österreichisch-ungarischen Region. Wie das klingt, zeigt sich bereits in der Symphonie Nr. 88 in G-Dur. Sie ist eine der populärsten Symphonien des ersten Großmeisters der Wiener Klassik. Die Kunst der Haydn’schen Komposition erreicht hier einen prägnanten Höhepunkt.

Unter der Leitung des ungarischen Dirigenten Adam Fischer verbinden sich Melodienreichtum, tänzerische Rhythmik und kunstreiche Durchführung zu einer klangvollen Interpretation voller Kontraste. Weitschwingende melodische Linien, betonte Pausen, schroffe Einwürfe, überaus gesangliche Streicher und derbe Bläser erwecken Haydn ungemein bodenständig und temperamentvoll zum Leben. Diese kraftvoll zupackende Spielweise korrespondiert kongenial zum Solopart von Sol Gabetta. Haydns erstes Cellokonzert, ein Werk des Übergangs vom Barock zur Klassik, spricht eine festliche, wenn auch vergleichsweise angespannte Sprache. Sol Gabetta bringt die Farben ihres wertvollen Instruments virtuos zu Leuchten: kräftig, dunkel, gelegentlich schroff im tiefen Register, elegisch, fast schon schmerzlich in der mittleren Lage, strahlend, drahtig, mit kristalliner Klarheit in der Höhe. Das ergibt kaum Idylle, erst recht kein Schmachten und Säuseln, sondern energisch-feinnervige, elektrisierende Klangströme. Mit Ludwig van Beethovens siebter Symphonie präsentierte die Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie ein vergleichsweise hochdifferenziertes Werk, das beinahe jedes Orchester seine Grenzen spüren lässt. Die Grundzüge dieser vertrackten, hochdifferenzierten Symphonie, die den Zeitgenossen als „Ausgeburt eines Tollhäuslers“ erschien, erklangen klar ausmoduliert, mit vielen rhythmischen Finessen und kantablen Passagen von Streichern und Holzbläsern – unter Berücksichtigung der tontechnischen Beschränkungen eines Open Air-Konzerts. Das Scherzo-Kernstück, der dritte Satz, springt in synkopisch verzerrten Taktschlägen spannungsreich durch eine entfesselte Beethoven’sche Klangwelt. Erst recht der vierte Satz entpuppt sich als gut kontrolliertes Tohubawohu mit kreiselnden Figurationen und heftigen Drehungen. Synkopen und punktierte Noten in Hülle und Fülle bündeln sich zu atemlosen Vorwärtsdrängen. Posaunen und Trompeten fahren mit voller Kraft dazwischen, bevor der wirbelnde Zug der Derwische triumphal ermattet.

Zur Entspannung gab es noch die Symphonie Nr. 73 „La Chasse“ zu hören, bevor ein prächtiges, viertelstündiges Feuerwerk am Himmel aufblühte.

Die argentinische Cellistin Sol Gabetta ist erneut beim 1. Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam am 19. September im Nikolaisaal zu hören. Sie spielt mit Baiba Skride das Doppelkonzert für Violine und Cello von Johannes Brahms.

Babette Kaiserkern

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