zum Hauptinhalt

Kultur: Feinsinniger Umgang mit den Noten

Orgelsommer-Konzert mit Christoph Hauser

Stand:

„Man kann von ihrer Schönheit nicht genug sagen“, begeistert sich der Musikforscher Johannes Forkel über die Triosonaten von Johann Sebastian Bach, die dieser zur musikalisch-technischen Ausbildung seines Sohnes Wilhelm Friedemann und anderer Schüler komponiert hatte. Stets sind sie dreistimmig, wobei die beiden Oberstimmen filigran ausgeziert sind, das Pedal sich dagegen in Zurückhaltung übt. Auch die vierte Sonate e-Moll BWV 528 bildet darin keine Ausnahme. Sie gibt einem fantasiebegabten Organisten ein reiches Betätigungsfeld für aufregende Klangfarbenregistraturen. Christoph Hauser aus München ist ein solcher. Bereits 2000 (noch an der altersschwachen Patchwork-Orgel in der Friedenskirche) und 2003 (an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche) trat er beim Internationalen Orgelsommer in Potsdam auf.

Diesmal lernte er die Woehl-Orgel kennen – und schätzen. Den gleichsam verspielten Kontrapunkt in Bachs Lehr-Stück bringt er mit manueller Leichtigkeit und äußerst lebendiger Gestaltung zum Klingen. Weich und erfüllt von verinnerlichtem Ausdruck ertönt das Andante; hellgetönt und voller kapriziöser Heiterkeit das finale „Un poco allegro“. Allerdings lässt die zuvor erklingende Intrada von Jean Sibelius, eine orgeloriginale Huldigung an die 1925 zu Besuch in Helsinki weilende schwedische Königin, einen solchen filigranen und feinsinnigen Notenumgang zunächst nicht unbedingt erwarten. Festlich, des majestätischen Anlasses würdig, rauschen hymnisch-kompakte und pedallastige Klänge durch den Raum.

Nachdem Barock und Romantik „abgearbeitet“ sind, tritt mit der „Sinfonia in honore St. Joannis Baptistae“ des Libanesen Naji Hakim (geb. 1955) das Zeitgenössische auf den Plan. Der in Beirut geborene Komponist lebt inzwischen in Paris und wirkt als Organist an der Trinité-Kirche in Nachfolge des legendären Olivier Messiaen. Dessen Einfluss ist in Hakims epigonalem Opus, dem ein gregorianischer Choral zugrunde liegt, allenthalben zu hören. Toccatische Elemente, eher zurückhaltend als kraftstrotzend eingesetzt, finden sich im „Ut queant laxis“ genauso wie zahlreiche rhythmische Finessen im „Ecce Agnus Dei“. Für“s Marschmäßige zieht er das martialische Trompetenregister. Ganz in Messiaenscher Machart steht der Abschnitt „In Spiritu et Igni“, ein zunächst ätherisch schwebendes, dann motorisch vorantreibendes, zwischen tröpfelnden Diskantstimmen und tokkatischer Wildheit pendelndes Glaubensbekenntnis. Viel Glaubens an die Transkriptionskunst von Helmut Deutsch bedarf es, um die Bearbeitung von Franz Liszts sinfonischer Dichtung „Les Préludes“ für die Orgel goutieren zu können. Wer das raffiniert instrumentierte und klangsüffige Original kennt, muss sich vorgekommen sein, als bekäme er gefriergetrocknetes Dörrgemüse statt heißer Minestrone vorgesetzt. Ohne romantisches Schwelgen, ohne Farbenreichtum mutiert die Dichtung sozusagen zu einem Übungsstück für musikalische Analphabeten. Der Organist bemüht sich vergeblich, das Beste aus der Vorlage zu machen.

Im Adagio aus der Orgelsinfonie Nr. 6 von Charles Marie Widor kann er dagegen gefühlvoll auftrumpfen. Abschließend pflegt er eine alte Organistentugend: das Improvisieren. Das ihm zugerufene Thema „I feel pretty“ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ dreht und wendet er, lässt es im vollen Werk aufrauschen und elegant im Walzertakt verschwinden, ehe es sich in einer handfesten Fuge wiederfindet. Dem heftigen Beifall dankt eine Zugabe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })