Kultur: Felix abruptus oder „Das war“s“
Der Schauspieler Sky du Mont las in Potsdam aus „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“
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Auf Wunsch seiner kunstsinnigen Sponsoren, so hörte man, ist der Nikolaisaal gehalten, ein gewisses Maß an „Fremdproduktionen“ im Jahresangebot zu verankern, Kaufware aus der Branche „Kulturmanagement“ sozusagen. Dergestalt hat Potsdam in der Vergangenheit die Bekanntschaft mancher Promis gemacht, wobei gelegentlich zu fragen war, wer sich da mit wem schmückte.
Auch die kürzlich stattgefundene Lesung des Schauspielers Sky du Mont aus den „Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull“ wollte so ein „Sahnehäubchen“ sein. Thomas Mann „geht“ ja immer, und der 1947 in Buenos Aires geborene Künstler, durch „Schuh des Manitu“ und „(T)Raumschiff Enterprise“ (2004) auch der jüngeren Generation von Filmverliebten bekannt, zog seinerseits Publikum heran. Kurz, die von der Münchener „carpe artem“ (genieße die Kunst) produzierte Veranstaltung war gut besucht, wenn auch nicht ausverkauft. Trotzdem hielt sich nach zwei guten Stunden der Beifall in Grenzen, man rief du Mont nur einmal noch auf die Bühne. Das war“s.
Erstaunlich, denn die Idee zum Promi ist trefflich: Eine Kombination von Lesung und eingespielten Szenen aus der legendären Kurt-Hoffmann-Verfilmung von 1957 zu wagen, darin der junge Horst Buchholz neben Liselotte Pulver und Ingrid Andree richtig glänzte. Robert Thoeren und Erika Mann schrieben das Drehbuch. Vater Thomas konnte gerade noch „Der Memoiren erster Teil“ des großen Verführers vollenden, bevor er 1955 in Zürich verstarb. Ein Fragment also, zwischen 1910 und 1913 begonnen, 1951 wieder aufgenommen, als Druckwerk immerhin 360 Seiten stark.
Sky du Mont machte kein Federlesen, er kam auf die Bühne, beugte sich kurz, setzte sich an seinen Tisch und las mit sonorer, sehr angenehmer und sicherer Stimme den Anfang vom „Krull“, dessen Lebensphilosophie so heutig geblieben ist: Mundus vult decipi – die Welt will betrogen sein.
Die Alternanz von Lesung und Film funktionierte tatsächlich sehr gut, wobei das Bild auf der Leinwand einfach stehenblieb, wenn es mit der Epik weiterging. Man sah die köstliche Musterungsszene, den Zoll an der Grenze nach Frankreich, wo Felix Krull in einem Hotel als Page von Etikette Anstellung fand, seine kurze Affäre mit der liebestollen Madame Houpflé, welche ihn sehr rechtens zum Hermes macht, dem Geist aller Diebe. Gelesen folgte der vereinbarte Rollentausch mit dem jungen Marquis de Venosta, mithin Krulls Eintritt in die Haute volee, per Film dann wieder die Begegnung mit dem Professor Kuckuck, Direktor des Naturkunde-Museums der portugiesischen Hauptstadt, im Zug nach Lisboa.
Man hätte noch stundenlang zuhören und zusehen können, aber nachdem der Filou Kuckucks Tochter begehrt, jedoch seine Gattin Maria Pia (halb zog sie ihn, halb sank sie hin) bekommen, hielt der Film ein letztes Mal an, Sky du Mont erhob sich mit „Das war“s“ vom Tisch, eine kurze Verbeugung, dann Abgang.
Mit einem solchen Felix abruptus konnte nicht einmal rechnen, wer den Stoff bereits kannte, oder den Film. Verwirrende Stille im Saal. Wollte man denn das zahlende Publikum mit einem effektvollen Kehraus aus dem Gehäuse treiben? Kühe Finals spiegeln ja oft die Pflicht hinter der Kür. Du Mont schien nicht zu bemerken, wie sehr ihn sein Publikum „suchte“. Er suchte es nicht, und so passten Wärme zum Text und klare Distanz Richtung Saal mitnichten zusammen. Bedauerlich, wenn man die Erwartung des fremden Parketts so subversiv unterläuft. Aber hier bricht man wohl besser ab Gerold Paul
Gerold Paul
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