Von Almut Andreae: Fenster können vergessen
Selbstbetrachtungen des Malers Menno Veldhuis in der Galerie Art Market
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Eine kontemplative Ruhe in Blau-Grün-Türkis verbindet diese Malerei. Sie bestimmt den Gesamteindruck, mit dem einen die aktuelle Bilderschau von Menno Veldhuis in der Galerie Art Market im Luisenforum empfängt und wieder entlässt. Gezeigt werden Gemälde aus dem Atelier des in Potsdam lebenden Niederländers, die bis auf eine Ausnahme im Laufe dieses Jahres entstanden. Die gedämpfte Farbpalette eint die Bilder. Motivisch grenzen sie sich als Selbstbildnisse des Künstlers und als Fensterbilder voneinander ab.
Ein großformatiges Hochformat mit dem Titel „Der Expressionist“ wird unwillkürlich zum Blickfang. Die monumentale Gestalt mit den Füßen eines Riesen, Händen wie Pranken und einem im Verhältnis geradezu schrumpfartigen Kopf widersetzt sich der natürlichen Anatomie. Der innere Aufruhr des Körpers pflanzt sich in der aufgeregten Malweise fort. Veldhuis spielt das Farbenklavier virtuos herauf und hinunter, ohne dabei leise Zwischentöne und zarte Übergänge auch nur im Geringsten zu übergehen. Die Gestaltung des Hintergrundes und der Mut zu ausdrucksvoller Farbigkeit, ohne am Ende bunt zu sein, werden in diesem ausdrucksstarken Gemälde als Herausforderung genommen und gemeistert.
Selbstbildnisse des passionierten Malers begegnen in der Ausstellung in Gestalt verschiedener Fassungen des Themas „Maler im Sessel“ mehrmals. Hier fällt die Katze auf, der Veldhuis gleich auch eigene Porträts gewidmet hat. Als Sinnbild für die weibliche Sexualität nimmt die Katze in den Selbstporträts des Malers Platz auf seiner Schulter oder seinem Schoß. Jüngst zurückliegende Erfahrungen mit Trennung und Beziehungsscheitern fließen in diese Bilder unmittelbar ein. In die Jugendlichkeit des eigenen Gesichts mischt sich eine Ernsthaftigkeit und Melancholie, die in Verbindung mit der bläulich getränkten Farbstimmung Assoziationen an die blaue Periode des jungen Picasso wachruft. Diese unterschwelligen Bezüge zu einzelnen Protagonisten vergangener Kunstepochen sind im Werk von Menno Veldhuis, der Kunstgeschichte studierte, bevor er sich der Malerei verschrieb, fest verankert. In seiner Ausstellung mit dem Titel „Ramen kunnen vergeten“ (Fenster können vergessen) zeugt beispielsweise das Ölbild „2 Raben“ von der im vergangenen Jahr kulminierten intensiven Beschäftigung mit Vincent van Gogh.
Weitere stille Reminiszenzen tauchen in der Reihe der Fensterbilder auf, die inmitten der expressiven Selbstbildnisse einen schweigenden Corso bildet. Hier wurden Fenster zum Ausgangspunkt für Kompositionen, die wegen ihres Bezugs zum Fensterrahmen und des suggerierten Ausblicks konkret sind und dabei gleichzeitig, in ihrer Auflösung in die reine Form und Farbe, auch abstrakt. Angesichts dieser Fensterbilder fühlt man sich ein bisschen an die Farbfeldmalerei von Mark Rothko erinnert und wittert genauso intensiv die blaue Blume der Romantik. Der Blick in die Ferne, auch das Fenstermotiv gehören spätestens seit Caspar David Friedrich zum Repertoire, um Stimmungsbilder entstehen zu lassen, die das Gefühlsspektrum zwischen Innenschau, Selbstverortung und Sehnsucht ausloten.
Die stillen Fensterbilder zeigen den in Potsdam lebenden Menno Veldhuis von einer introvertierten Seite, die vor dem Hintergrund seines überschäumenden Temperamentes anrührt und überrascht. Sowohl die sich expressiv gebenden Selbstbildnisse als auch die meditativen Fensterbilder scheinen aus der Notwendigkeit geboren, sich im inneren Widerstreit intensiver Gefühle neu zu verorten. Das Malen in Schichten, das immer wieder Neuübermalen ist ebenso ein Ausdruck davon. In zwei Gemälden verbergen sich unter der Oberfläche Porträts des verstorbenen Freundes Ralf Krolkiewicz. Die Übermalung wird hier gleichsam zum schützenden Schild, der für den aufmerksamen Blick dennoch durchlässig genug ist, um die dahinter verborgenen Schichten zu sehen.
Noch etwas anders verhält es sich mit einem kleinen Format, das vergleichsweise unscheinbar ein bisschen abseits von den anderen Bildern hängt. Hier ist die Farbe so dick auf die Leinwand gestrichen, dass im Ergebnis eine krustige, fast verhornte Malhaut entsteht. Das Ringen um Selbstbehauptung im künstlerischen Prozess nimmt Gestalt an in einer Art Verkapselung. Aus der Sicht des Malers gelingt die Selbstbefragung und eigene Standortbestimmung gerade hier besonders authentisch.
Ausstellung „Ramen kunnen vergeten“ ist noch bis zum 31. Oktober, mittwochs und freitags, 15-19 Uhr, und samstags, 12-16 Uhr, in der Galerie Art Market, Hermann-Elflein-Straße 18b, im Luisenforum, zu sehen
Almut Andreae
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