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Kultur: Fest der Klänge

Kammerakademie Potsdam mit Strawinskys Pulcinella-Suite und Strauss“ „Der Bürger als Edelmann“

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Auf den ersten Blick besteht keine rechte Verbindung zwischen der Musik von Igor Strawinsky und der von Richard Strauss. Und doch gibt es bei aller Verschiedenheit Gemeinsamkeiten. Sowohl Strawinskys „Pulcinella-Suite“ als auch Strauss“ Orchester-Suite „Der Bürger als Edelmann“ verwandeln Altes in Neues. Wie unterschiedlich diese neuen Kleider ausschauen beziehungsweise klingen können, zeigte sich beim Eröffnungskonzert der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal. Hier der bunte Rock im Patchworkstil aus Leinen und Baumwollflicken von Strawinsky – dort das schillernde Gewand aus Samt und Seide von Richard Strauss.

Unter der Leitung von Michael Sanderling bot die mit Blechbläsern, Klavier und Harfe aufgestockte Kammerakademie Potsdam ein ungemein ansprechendes Konzert, das viel Beifall erhielt. Ob der beliebte Schauspieler Peter Sodann – Fernsehkommissar Ehrlicher – als Sprecher des Schlüssellochspotts eines Dienstmädchens am richtigen Platz war, müsste die Dramaturgie allerdings noch einmal überdenken. Sicher wäre eine Schauspielerin besser am Platze gewesen.

Beide Komponisten ließen sich von dreihundert Jahre alten künstlerischen Werken des Barock zu interessanten Neuschöpfungen anregen. Während die Pulcinella-Suite auf neapolitanischer Tanzmusik von Giovanni Pergolesi beruht, basiert die Edelmann-Suite auf Ballettmusik des französischen Hofkomponisten Jean-Baptiste Lully.

Die für eine Aufführung von Serge Diaghilevs Ballett komponierte Musik von Strawinsky wirkt wie ein farbenfrohes kubistisches Gemälde mit schrägen Linien und schiefen Perspektiven. Zugunsten der Wechselrede von einzelnen Instrumenten und Ensembles wird das kammermusikalische Gefüge vielfach gebrochen. Doch schon hier setzt die Kammerakademie unter Michael Sanderling bei aller Charakterisierungskunst im Detail auf einen runden, romantisierenden Tonfall. Wie weichgespült klingen Serenata und Scherzino, spätromantische Klangkaskaden versprüht das Menuetto. Temperamentvoll zucken die Bässe, gellen und donnern die Bläser dazwischen und malen Tarantella und Toccata mit grellen Farben aus. Schön buntscheckig und grotesk wirkt das Vivo mit Posaunenglissando, uriger Kontrabassmelodie und Streichquartett.

Durchgehend in Hochform zeigt sich die Kammerakademie, dem präzisen Zusammenspiel merkt man die intensive Vorbereitung an. Mit funkelnden Facetten betört die Suite von Richard Strauss, die erstmals von der Kammerakademie aufgeführt wurde. Natürlich, diese ursprüngliche, fast zeitgleich mit Strawinsky entstandene Musik ist ein köstliches Fest der Klänge. Nach der Vorlage von Molières Komödie „Der Bürger als Edelmann“ beziehungsweise nach der dazugehörigen Bühnenmusik von J.-B. Lully schafft Strauss eine sprühende Folge barocker Tänze und Szenen und erweist sich erneut als Klangmagier. Ja, die berauschende Wirkung dieser Musik überragt den simplen Text so haushoch, dass die Texteinschübe wie eine kalte Dusche wirkten. Gerade noch zwitscherte in der Gavotte-Polonaise ein Violinsolo (Muriel Cantorregi) zauberisch, scherzhaft grundiert vom Grummeln einer Blaskapelle, musste man gleich danach die verächtlichen Beobachtungen eines Dienstmädchens über ihren Herrn anhören. Auch dass diese Nicole letztlich für die Beibehaltung der aristokratischen Ständeordnung eintritt, klingt in demokratischen Zeiten etwas überholt. Peter Sodann versuchte mit nonchalanter Reibeisenstimme das Beste aus dem nicht ganz zeitgemäßen Text (in Auschnitten) zu machen. Allein, das konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass er am falschen Platz war.

Einerseits verkleinerte der Text die Musik, leider, andererseits entschädigte sie wiederum für dessen Sottisen. Michael Sanderling kostet die romantisierenden Passagen, die sinnlichen Reize voll aus, lässt die Kammerakademie mit orientalischer Pracht aufspielen, zelebriert elegant und bisweilen weitschweifig die irisierenden Farben dieser Musik. Großartige solistische Leistungen (Oboe, Flöte, Cello, Geige) und das vitale Zusammenspiel aller tragen zu einem viel versprechenden Saisonbeginn bei.

Babette Kaiserkern

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