Kultur: Feste Größe
Potsdamer Orchesterwoche in der Friedenskirche
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Weiße Wolken ziehen durch das Himmelblau über der Friedenskirche in Potsdam Sanssouci. Im Kirchenteich führen Schwäne ihre Nachkömmlinge spazieren. Die idyllische Kombination aus Natur und Baukunst wurde am Sonntagnachmittag noch gesteigert von symphonischen Klängen, die aus der Kirche dringen und so manch einen Zufallsbesucher anlocken. Die Potsdamer Orchesterwoche, kurz POW genannt, präsentierte ihr neues Programm im gut besuchten Kirchenschiff. Bis heute unter der musikalischen Leitung ihres Gründers Dietrich Schönherr stehend, ist die POW zu einer festen Größe im Sommer der Landeshauptstadt geworden. Sie lebt größtenteils vom Enthusiasmus der Teilnehmer, überwiegend Laienmusiker aller Altersklassen. Nach einer Woche intensiven Probens im Evangelischen Gymnasium auf Hermannswerder gibt es an fünf aufeinander folgenden Tagen Konzerte in Kirchen und Schlössern des Umlands.
Auch in diesem Jahr erreichte der Klangkörper die volle Stärke eines klassischen Symphonieorchesters. Das vielfältige, sorgsam zusammengestellte Programm traf beim Konzert in der Friedenskirche auf begeisterte Zuhörer. Vom dänischen Komponisten Niels Wilhelm Gade, der einst von Felix Mendelssohn gefördert wurde, erklangen „Nachklänge von Ossian“ nach angeblichen Gedichten aus keltischer Vorzeit, von denen unter anderem Herder und Goethe begeistert waren. In Gades Konzertouvertüre fand die größte Literatur-Fälschung des 18. Jahrhunderts romantischen Ausdruck. Vom düster dräuenden Beginn über dramatische Kämpfe unter Aufbietung aller musikalischen Streitkräfte geht es ins Lichte, wobei Holzbläser die Hauptrolle spielen.
Ebenfalls im symphonischen Großformat stehen die „Legenden“ op. 59 von Antonin Dvorák, von denen drei gespielt wurden. Hier kommt typischer Dvorák-Klang mit dunkel-satten Tönen, hellen Holzbläsern, Triangel-Klingeln und Tanzrhythmen aller Art schmeichelhaft zur Geltung. Zum Höhepunkt führte Joseph Haydns Sinfonia concertante für Violine, Violoncello, Oboe und Fagott, eine ebenso anspruchsvolle wie heitere Mixtur aus Konzert, Sinfonie und Divertimento im ausgereiften Spät-Stil des österreichischen Meisters.
Wenn noch dazu so hervorragende, blutjunge Solisten spielen wie Noga Bruckstein auf der Violine, Moritz Klauk auf dem Violincello, Sven Hammerschmidt auf der Oboe und Ulf Liebal auf dem Fagott ist der Erfolg sicher. Fast wie eine Romanze erklang der zweite Satz, ein Andante, so hingebungsvoll setzte das Orchester zarte Klangtupfen zu den gleißenden Linien der Soloinstrumente. Davon abgesehen erscheint es unpassend, das Laien-Orchester nach den üblichen Maßstäben für Profis zu bewerten. Sicher gerieten die Ungarischen Tänze von Johannes Brahms in der Orchesterfassung von Anton Dvorák danach nicht perfekt. Doch entscheidend ist bei solch einem Unterfangen die Begeisterung für die gemeinsame Sache. Dabei gab es auch sehr gute Einzelleistungen, speziell bei den Hörnern, der Tuba und den Holzbläsern. Mit dem unsterblichen „Capriccio italien“ op. 45 von Peter I. Tschaikowski endete die 35. Potsdamer Orchesterwoche – gleichsam eine Reverenz an die italienischen Inspirationen, denen das Bauwerk der Friedenskirche Sanssouci so viel verdankt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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