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Kultur: Festlich

Das Weihnachtsoratorium in der Friedenskirche

Stand:

Ein Unglück kommt selten allein. Nachdem die Scheinwerferkalamitäten für die Musiker behoben sind, kann Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob mit siebenminütiger Verspätung den Taktstock zur Aufführung der ersten drei Kantaten aus Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ BWV 248 in der vollbesetzten Friedenskirche heben. Der Oratorienchor Potsdam jauchzt und frohlockt mit frischen Stimmen, findet sich mühelos im kontrapunktischen „Gestrüpp" der Chöre zurecht. Die Choräle stimmt er mit geschmeidiger Klangkultur an. Ist“s zu viel der Konzentration beim Singen der herrlichen Melodien, als gegen Ende der Aufführung (während des Vortrags der Alt-Arie „Schließe mein Herze“) eine Choristin einen Schwächeanfall erleidet? Große Aufregung, das Konzert wird unterbrochen. Nach zehn Minuten des Bangens geht es weiter. Doch die Spannung will sich trotz eifrigen Bemühens aller Beteiligten nicht wieder herstellen.

Dennoch: Bis dato lässt sich die fröhlich, freudig und festlich ausgebreitete Weihnachtsbotschaft nicht so schnell vergessen. Das fängt bereits bei des Eingangschores instrumentaler Einleitung an, die sich zügig ausbreitet, klar konturiert ist, von strahlkräftigen Trompeten und brillant wirbelnden Pauken unterstützt wird. Ein vortreffliches Fundament, auf dem die folgenden Nummern ruhen und zu ihren Höhenflügen aufbrechen können. Natürlich kennt und kann der Oratorienchor die Bachschen Noten seit Jahren, dennoch stellt sich keine Routine ein. Erneut überraschen die ausgewogen gemischten Stimmgruppen, zusammengeführt zu geschmeidig tönendem Dienst am Werk. Die Leichtigkeit des Singens begeistert genauso wie die Lockerheit bei der Artikulation. Ganz natürlichen Tons wird der Text ausgedeutet. Dabei ist der Verstand bachlob nicht ausgeschaltet!

Das trifft auch auf die Kammerakademie Potsdam zu, deren Musizieren auf modernen Instrumenten von historisierender Spielweise geprägt ist. Man legt auf Transparenz großen Wert, befleißigt sich eines sparsamen Vibratogebrauchs, huldigt einem prägnanten Redetonfall, intoniert sauber. Wiegend, ohne einzulullen, lieblich, ohne sentimental zu wirken, erklingt die Hirtenmusik. Die solistischen Zutaten bei der Arienbegleitung etwa durch Flöte (Bettina Lange) und Violine (Peter Rainer) zeichnen sich durch Deli- und Akkuratesse aus. Den Gesangssolisten ist dabei gleichsam der rote Teppich ausgelegt. Altistin Yvonne Fuchs genießt es hörbar, sich stilkundig und sicher auf ihm bewegen zu können. Obwohl sie sich eines objektivierenden Ausdrucks befleißigt, spart sie Emotionen bei ihren berückend schön und ganz schlicht vorgetragenen Arien nicht aus. Sie versteht es, lange Vokallinien ebenmäßig sich verströmen zu lassen und die Dacapoteile der Arien mit Verzierungen abwechslungsreich zu gestalten.

Ganz auf Jacobscher Transparenzlinie befinden sich auch Sopranistin Christine Wolff, die anteilnehmend (Duett „Herr, dein Mitleid“) zu singen versteht. Statt lyrisch geprägter Legatolinie legt Basspartner Matthias Weichert großen Wert auf einen kraftvollen, lockeren und natürlichen Tonfall. Die Arie vom großen Herrn und starken König profitiert genauso davon wie die markant vorgetragenen Rezitative. Die des Evangelistenberichts verlangen nach ausdrucksstarker Vortragskunst, über die Tom Allen mit seinem schlanken, leicht geführten und hell getönten Tenor verfügt. Sein natürlicher Erzählton spricht Herz, Sinne und Verstand gleichermaßen an. Nicht sonderlich eilend, aber sehr koloraturensicher stimmt er die „Frohe Hirten“-Arie an. Der Verkündigung von Christi Geburt dankt anhaltender Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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