Kultur: Feuer aus Farben
Orgelsommerkonzert mit Friedrich Meinel
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Orgelsommerkonzert mit Friedrich Meinel Wer kann sich schon rühmen, bei der Geburt einer Königin mitgeholfen zu haben?! Er konzipierte ihr Äußeres mit, gab Unterstützung bei der Disposition ihrer inneren Werte, erfreute sich an ihrem Gedeihen und ist selber mit ihr gereift. Nun ist sie fast Vierzig und noch immer bestens beieinander. Wenn einer sie kennt, dann er: Friedrich Meinel, an der Seite der Schuke-Orgel. Als musikalischer Hausherr der Erlöserkirche hat er dort über Dezennien ein reges, vielbeachtetes kirchenmusikalisches Leben installiert. Nun kehrt er, der rüstige Rentner, der mittlerweile auch schon die Siebzig überschritten hat, für eine Wiederbegegnung mit der Dame seines (Musik-)Herzens an den Ort einstigen freudvollen Dienens zurück. Den Internationalen Orgelsommer Potsdam hat er zusammen mit Friedenskirchen-Kollegen Matthias Jacob ins Leben gerufen. Sein Auftritt in diesem Jahr schenkt dem Defilee der Orgeldiener einen weiteren Glanzpunkt. Das sorgfältig zusammengestellte, kontrastreiche Programm zeigt sich breit gefächert. Es reicht von der norddeutschen Orgelschule bis zur klangprächtigen französischen Avantgarde. Für jeden Komponisten findet er den rechten Zugang, registriert die Stücke aus dem ihnen innewohnenden Geist heraus. Ohne altersweise Verklärung, stattdessen mit geradezu jugendlichem Elan geht Friedrich Meinel dabei zu Werke. Präludium und Fuge D-Dur von Dietrich Buxtehude (1637-1707) leben davon. Offen, hellgetönt und anspringend erklingt das Vorspiel, kapriziös und tänzerisch beschwingt das pointierte Fugenthema. Im stimmungsvollen Gegensatz dazu steht die Buxtehudesche Choralbearbeitung „Nun bitten wir den Heiligen Geist“. Ähnlicher konträrer Auslegungen erfreuen sich die Bachschen Beiträge. Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 kommen zügig und im vollen Orgelwerk daher. Eine typische, aus guter Tradition heraus geborene Bachexegese. Registrierungsmätzchen sind dabei natürlich vermieden. Der Schärfe des soeben Gehörten folgt die weiche, tremolierende, gleichsam mit menschlicher Stimme singende Choralbearbeitung „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend''“ BWV 709, hervorgerufen durch das Sesquialtera-Register. Die Diskrepanz zu den Ausschnitten aus der „Pfingstmesse“ von Olivier Messiaen (1908-1992) hätte nicht größer sein können. In der Communio „Les oiseaux et les sources“ (Die Vögel und die Quellen) lässt es Meinel nach allen Regeln der Kunst im Flötendiskant munter tirilieren und plätschern. Es sei, so lässt Meinel vorher verlesen, der Versuch des Komponisten, den Himmel zum Lobe Gottes zu öffnen. Schrill und anschwellend weht „Der Sturmwind des Geistes“ (Le vent de l''Esprit) durch den vierten Messeteil. Dabei erscheint der eingeflochtene Lerchengesang wie eine Vokalise im Himmel. Dann schichten sich Dissonanzen zum toccatenartigen Klanggebilde, das die Unberechenbarkeit des Geistes erahnen lassen soll. Danach der Melodiengesang der Sonate D-Dur op. 65 Nr. 5 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847). Das liedhafte Thema spielt Friedrich Meinel innig im Ausdruck und mit gedeckten Farben. Geradezu verschwenderisch geht er mit ihnen in den prachtliebenden Werken französischer Spätromantiker um: im Choral a-Moll von Cesar Franck, im Final-Allegro aus der 3. Orgel- Sinfonie fis-Moll op. 28 von Louis Vierne (1870-1937). Er weiß um erforderliche Registrierungen, wenn er die Strophen des Chorals in immer neuen Umhüllungen und Farbschattierungen erscheinen lässt. Wahrlich con fuoco entfacht er dem toccatischen Zuschnitt der Vierne''schen Piece ein Feuer aus Farben, das funkelnd und rauschhaft abbrennt. Das hingerissene Publikum erklatscht sich eine Zugabe. Peter Buske
Peter Buske
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