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Kultur: Feurig

Deutschlanddebüt von „B“rock“ im Nikolaisaal

Stand:

Die Entdeckungen bei der Wiedergabe alter Musik scheinen passé, extreme Dynamikbereiche gründlich erforscht. Was lässt sich da noch an Neuem erhoffen? Von frischen Winden geht die Rede, seit das belgische Ensemble „B“rock“ in der Alten-Musik-Szene Fuß gefasst hat. Ist“s eine Mischung aus Musica antiqua Köln, Freiburger Barockorchester und Il giardino armonico di Milano? Oder doch etwas umwerfend Anderes, sozusagen die ultima ratio verbreitend? Mit großen Erwartungen sah man daher dem Deutschlanddebüt des Newcomers unter Leitung von Gary Cooper entgegen, der gemeinsam mit dem Vocalconsort Berlin am Totensonntag im Nikolaisaal auftrat. „Königlicher Barock“ verhieß das von Clemens Goldberg locker und informativ moderierte „Klassik am Sonntag“-Konzert.

Allerdings hielten sich die B“rocker zunächst noch zurück, unterstützten den Vortrag der „Funeral sentences“ von Henry Purcell nur mit Truhenorgel, Theorbe und zwei Violoncelli als Continuogruppe. Ganz Legato und erfüllt von beklemmender Intensität erklang, was als Begräbnismusik für Queen Mary II. anno 1695 bestimmt war. Dissonanzenreiche Affekte des Todes durchziehen diese Anthems genannten Gesänge, deren kunstfertige Anlage von den glasklar und sauber intonierenden Stimmen des Vocalconsorts Berlin und seiner exzellenten Solisten gestaltungsinnig zur Geltung kam. Schnörkellos sangen Katharina Göres (Sopran), Ivonne Fuchs (Alt), Tom Phillips (Tenor) und Falk Joost (Bass), deren instrumental geführten Stimmen jene Herbheit ausstrahlten, die den Sentenzen um Werden und Vergehen angemessen sind. Der immer wieder einfallende Chor verstärkte diesen strengen Duktus einprägsam.

Dem Introvertierten folgten Lobgesänge auf den Herrn („Rejoice in the Lord alway“, „O sing unto the Lord“), bei denen das Feuer unterm (Barock-)Kessel kräftig loderte. Sie leiten sich jeweils durch eine tänzerisch beschwingte Sinfonia ein. Leise und zart waren die Saiten gestrichen, während Fagott und Basso continuo das Ganze pastellfarben kolorierten. Weich, geradezu überirdisch schwebten dank dessen die himmlischen Danksagungen. Das von fünf ersten Violinen angeführte Ensemble bewies auf aufregende Art, wie außerordentlich geschmeidig, lebendig und gefühlvoll trotz vibratolosen Musizierens alte Musik klingen kann. Trat der Chor hinzu, gab es gleichsam distinguierte Gesangskultur zu bewundern, die bei den „Glory“-Passagen in hymnische Festlichkeit mündete. Zwischen den ausgezeichnet aufeinander abgestimmten Instrumentalisten und Sängern fand jener Redetonfall statt, der einen in Bann zog. Mit radikal hellem und schlankem Ton, der sich zur Ausdruckvertiefung mitunter ins Ruppige wandte, in zügigen Zeitmaßen und straffer Artikulation war nach der Pause die klangprächtige Psalmvertonung „Dixit Dominus“ des 22-jährigen Georg Friedrich Händel den Ohren ausgebreitet. Die bestechend präzise ausgeführten „Dixit“-Ausrufungen erzeugten jene atemberaubende Spannung, die dem Start in eine operntheatralische Handlung in nichts nachstand. Plastisch war vom zürnenden Zerschmettern der Feinde gekündet, in koloraturengespickten Arien von Macht und Glanz gesungen. Und zwar mit jenem leidenschaftlichen Impetus, der nur vermittels eines vibrierenden, wie aus dem Sprung heraus erfolgenden Musizieren möglich ist. Das „B“rock“-Geheimnis? Die Mischung aus allen hinlänglich bekannten Musizieringredienzien macht“s, was zum Schluss enthusiastisch gefeiert wurde.Peter Buske

Peter Buske

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