Kultur: Filigran-opulent
Kammerakademie bot der Harfenmusik ein Podium
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Eine Sternstunde der Harfenmusik bescherte das letzte Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam am Sonntag. In der Orchestermusik werden der Harfe meistens nur ein paar säuselnde oder rauschende Arpeggien zugeteilt. Doch hier stand das königliche Engelsinstrument ganz im Vordergrund. Mit Marie-Pierre Langlamet und Naoko Yoshino erschienen gleich zwei Meisterharfenistinnen im nicht ganz gefüllten Nikolaisaal. Die junge mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra komplettierte das Trio der musizierenden Damen in führenden Positionen.
Eröffnet wurde das außergewöhnliche Programm mit einem Werk des amerikanischen Komponisten Sebastian Currier. „Broken Minuets“ für Harfe und Streichorchester, das 2006 von Marie-Pierre Langlamet und dem Ensemble Oriol uraufgeführt wurde, erweist sich als eklektizistischer Streifzug durch Tradition und Moderne. Der Harfe wird hier noch wenig Spielraum zugestanden. In allen fünf Sätzen werden winzige Fragmente bekannter Menuette in ausladende atonale Passagen montiert. Doch die häufig abrupte Konfrontation von Vergangenheit und Gegenwart wirkt mit all seiner beachtlichen Klangopulenz letztlich spiegelglatt, intellektuell und erschöpft sich im Zitieren alter und moderner Stilrichtungen und Formen. Marie-Pierre Langlamet, seit 1993 Solistin bei den Berliner Philharmonikern, lieferte aber schon hier erstaunliche Kostproben ihres feinfühligen Handwerks. Erst recht die Darbietung von Mozarts Konzert Es-Dur KV 365 riss das Publikum zu wahrer Begeisterung hin. Das ursprünglich für zwei Klaviere komponierte Meisterwerk für zwei gleichwertige Partner bereichert das Harfenrepertoire ungemein. Die auswendig spielenden Solistinnen Marie-Pierre Langlamet und Naoko Yoshino wetteiferten in gelöster Atmosphäre voller Spielfreude miteinander. Filigrane, äußerst flink gespielte Klangfiguren, virtuose Triller, eine berauschende Kadenz lösten stürmischen Applaus aus.
Nach der Pause gab es einen Ausflug in die französisch geprägte Domäne der Harfe. Kein anderes Instrument, vielleicht mit Ausnahme der Flöte, vermochte die ätherischen hauchzarten Klänge des musikalischen Impressionismus so zum Ausdruck zu bringen wie dieses. Das zeigte sich auch bei den technisch höchst anspruchsvollen „Danses für Harfe und Streicher“ von Claude Debussy. Einmal mehr wusste Marie-Pierre Langlamet mit berückendem, hoch differenziertem, präzisem Saitenspiel für die Harfenmusik einzunehmen. Die Kammerakademie folgte den diskreten Einsätzen von Alondra de la Parra konzentriert, punktgenau und einfühlsam zurückhaltend. Erst bei der abschließenden „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ von Bela Bartok konnte das Orchester aus dem Vollen schöpfen. Die vielschichtigen Strukturen der vier Sätze stellten auch für die 29-jährige Dirigentin eine Herausforderung dar, die sie sicher löste. Bartok vermag mit seiner Musik zu überzeugen, seine neuartigen Klänge und seltenen Effekte wirken stets sinnreich, auch wenn hier ebenfalls an tradierte Formen wie Fuge, Sonate und Rondo erinnert wird. Dem gleichermaßen hochkomplizierten wie organisch erfüllten Werk wurde von der Kammerakademie unter der Leitung von Alondra Parra faszinierendes neues Leben eingehaucht. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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