Kultur: Filigrane Liebkosungen und Forteforderungen
Orgelsommer-Konzert mit Peter Planyavsky in der Erlöserkirche
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Orgelsommer-Konzert mit Peter Planyavsky in der Erlöserkirche So soll es sein: Kirche und Orgel bilden eine symbolische Einheit wie Statue und Tempel, darinnen der Orgelspieler als Oberpriester seines hohen Amtes wirkt. Wer lange genug seinem Instrument dient, gleicht einem lange verheirateten Ehepaar: man weiß voneinander alles, will Eigenheiten unbewusst auf andere übertragen. Der 57-jährige Peter Planyavsky, Domorganist an St. Stephan zu Wien, bildet darin keine Ausnahme. Zwei Drittel seines Lebens ist er von den Reizen seiner „Königin“ geprägt worden. Das hinterlässt Spuren. Logisch, dass Flirts mit anderen „Hoheiten“ von derlei Gewohnheiten unberührt bleiben. Madame de Schuke, zu Hause in der Erlöserkirche, geht auf die Bemühungen des Wiener Orgelcharmeurs willig ein. Es bedarf keiner großen Überredungskunst, sie bei der Orgelsommer-Begegnung mit dessen Erfahrungen zu hofieren. Wie, wenn er sie dazu brächte, etwas von Glanz und Größe seiner einzigartigen Wirkungsstätte reflektieren zu können? Dazu bedient er sich eines Wechselbades der Stile. Siehe da: die Beschwörungen gelingen. Die erste Flirt-Attacke unternimmt er mit der Toccata XII von Georg Muffat (1653- 1704), einer süddeutschen, verspielten Formvariante. Nix da von akkordischer Wucht und Größe ihrer norddeutsch geprägten Schwester. Das Thema kapriziert sich im Diskant, wird in „rezitativischen“ Episoden von weichen Farben umhüllt, steigert sich in ein rauschhaftes Finale. Durch diese Klangpracht verbreitet sich fast so etwas wie habsburgische Herrlichkeit im preußischen Gotteshaus. In Wien wie in Potsdam sind die Kirchen fest gefügt. Auch als Institution? Die Vision von einer Kirche, die von Ewigkeit bestimmt ist, beschäftigt Olivier Messiaen (1908-1992) in seinem Stück „Apparition de l''Eglise eternelle“ (Die Erscheinung der ewigen Kirche). Nur ein Ganztonschritt ist''s, mit dem er seine Vision entwirft. In ruhigen Zeitmaßen schichtet Planyavsky majestätische Akkordblöcke zu fest gefügtem und klar gegliedertem Fundament, darauf er die harmonische „Aufmauerungen“ übersichtlich vollzieht. Inmitten dieser stilistischen Eckpfeiler eines überzeugenden dramaturgisch konzipierten Programms steht Bach mit Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564. Wiener Interpretencharme obwaltet auch hier: die einleitenden flinken Manualläufe im Diskant, das verspielte Thema vorstellend, münden in eine staunenswerte Pedalvirtuosität. Flötenreiche Zungenstimmen singen das Adagio, strahlendes Principal kündet von Fugenfreude. Dies ist ein Bach des Frohsinns, der Heiterkeit und selbstbewussten Diesseitigkeit. Der Sinnenfreude des Barocks folgt die romantische Verinnerlichung in Gestalt von Felix Mendelssohn Bartholdys D-Dur-Sonate op. 65 Nr. 5, deren liedhaftes Thema sich voller Anmut in weicher Artikulation verbreitet. Dass der Organist der Wiener Hofkapelle Robert Fuchs (1847-1927) ein Brahmsfreund war, hört man seinen „Variationen und Fuge über ein eigenes Thema“ an. Klar gesetzt und einfach im Ausdruck, fangen sie Zeitgeist und des Meisters Tonfall hörenswert ein. Unter den registrierenden Organistenhänden und subbassbeschwörenden Organistenfüßen enthüllt sich gleichsam ein pointiert aufgeblättertes Kompendium der Klangfarbenmöglichkeiten. Kaum ein Register zwischen Oktave und Trompete, Mixtur und Quintadena, dass Planyavsky in seiner abschließend dargereichten Improvisation nicht gezogen hätte. Sowohl von filigranen Liebkosungen umschmeichelt, dann wieder nachdrücklich zum Forte aufgefordert, fühlt sich Madame de Schuke fast als Wienerin. Küss die Hand Peter Buske
Peter Buske
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