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Kultur: Finessen

Orgelsommer mit Roman Perucki in Friedenskirche

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Witterungsumschwünge machen auch vor der gepflegtesten Königin der Instrumente wie der Woehl-Orgel in der Friedenskirche nicht halt. Zehn Grad Temperaturunterschied innerhalb von vierzehn Tagen – und schon muss der Orgelstimmer ins Gehäuse und ran an die Pfeifen. Besonders die der Zungenstimmen. Keiner bestreitet die Notwendigkeit solchen klanglichen Make-ups. Aber auch bis kurz vor Konzertbeginn? Solcherart aufgehübscht für die Hand- und Beingreiflichkeiten des polnischen Organisten Roman Perucki, zeigte sich Woehls Meisterinstrument schließlich erneut von ihrer verführerischsten Seite.

Der renommierte Künstler, Domorganist an der Kathedrale zu Oliva, Professor der Gdansker Musikakademie und Generaldirektor der dortigen Baltischen Philharmonie, ist den Potsdamern längst kein Unbekannter. 2000 eröffnete er den Internationalen Orgelsommer, zwei Jahre später verabschiedete er die reichlich altersschwach gewordene Klang-Königin der Friedenskirche mit größtenteils polnischen Stücken. Anno 2004 spielte er während der Bach-Tage auf der Schuke-Orgel von St. Peter und Paul, ein Jahr später brachte er das Schuke-Instrument der Erlöserkirche u.a. mit Werken aus der Danziger Tabulatur zum Klingen. Das hiesige Orgelangebot dürfte er mittlerweile also bestens kennen.

Bei seinem diesjährigen Orgelsommer-Auftritt erweist er sich erneut als Meister klangfarblicher Finessen. Diesmal spielt er, passend zur Woehl-Orgel und deren prägnantem frankophonen III. Manual, ausschließlich Kompositionen französischer Spätromantiker und klassischer Modernisten. Alle drei waren überdies Organisten an solchen berühmten Pariser Kirchen wie Saint-Eustache (Bonnet), Sainte-Clotilde (Langlais) und Saint-Sulpice (Widor). Das ambitionierte, vom Ausübenden zuvor jedoch nicht erläuterte Programm beginnt mit „Variations de concert“ von Joseph Bonett (1884-1944). Auf einer (Ton-)Leiter herabsteigende Akkorde, gespielt im vollen Orgelwerk, eröffnen es, gefolgt von einer besinnlichen Betrachtung. Eine andere, gemächlich voranschreitende Variation bedient sich des Trompetenregisters. Eine nächste gibt sich leidenschaftlich bis brausend. Insgesamt eine sehr operntheatralische, mit Klangeffekten nicht sparende Lesart.

In seiner mit gregorianischen Zitaten gespickten „Hommage à Frescobaldi“ bedient sich der blinde Tonsetzer Jean Langlais (1907-1991) einer überwiegend polyphonen Schreibweise. Das filigrane Gefüge der „Kyrie“-Bitte registriert Perucki als einen flötenweichen Gesang. Im „Offertoire“ erzeugt sich durch die Verwendung des starken Tremulanten ein ätherisches Schweben. Noch eine (Höhen-)Spur körperloser erklingt die „Elévation“. Auch in den folgenden Stücken wechselt Näselndes mit Gedacktem, Inniges mit Schnarrendem, die lyrische Legatolinie mit toccatischer Dramatik. Das Rauschhafte mancher Klanggeste bleibt unter Peruckis wohlüberlegter Phrasierung stets durchhörbar.

Abschließend ist mit der 4. Orgelsymphonie von Charles Marie Widor (1844-1937) der Gipfelpunkt an bacchantischen Klangfarbenspielen erreicht. Monumental der Toccata-Beginn, zartgliedrig und von Pedalläufen heiter grundiert die folgende Fugue. Peruckis Gespür für orchesterraffinierte Artikulation, ungewöhnliche Zungenstimmenregister und originelle Kopplungen verleiht dem Scherzo das Flair eines Elfensommernachtstraumwalds, in dem es geheimnisvoll raunt und huscht. Hymnisch, im organo pleno, strotzt sich die Sinfonie ihrem Finale entgegen. Großer Beifall, Zugabe. Peter Buske

Peter Buske

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