Kultur: Finessenreich auf der Schuke-Orgel registriert
Klaus Eichhorn gab Konzert in der Klein-Glienicker Kapelle
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Klaus Eichhorn gab Konzert in der Klein-Glienicker Kapelle Kaum einer kennt ihn heute noch. Was schade ist, denn Matthias Weckmann (1621 im thüringischen Niederdorla geboren, 1674 im hanseatischen Hamburg gestorben) verstand sein Handwerk wie kaum ein zweiter seiner tonsetzerischen Generation. Er verschmolz die Sweelinck-Tradition mit dem Schütz-Stil zu einer neuen Einheit. So zeichnen sich beispielsweise seine Choralvariationen für Orgel durch einen von mathematischer Gründlichkeit geprägten Kontrapunkt aus und einen Cantus firmus, der von einer Stimme zur anderen wandert. Doch auch die Choralbearbeitung „Nun freut euch, lieben Christen g''mein“ zeigt ihn als Meister kompositorischen Raffinessen. Davon lässt sich der Organist Klaus Eichhorn bei seinem Konzert mit Musik nord- und mitteldeutscher Meister des 17. und 18. Jahrhunderts in der Klein-Glienicker Kapelle am letzten Sonntag nach Epiphanias begeistern. Er leuchtet Weckmanns Stück farbenreich aus. Zuerst erklingt die Melodie im schnarrenden Fanfaro-Register, umspielt von flötenlieblichen Diskantstimmen, dann lässt er sie mit Prinzipalschärfe erklingen, um sie schließlich (beim 3. Vers) in den gravitätisch schreitenden Bass zu verlagern. Ähnlich differenziert und abwechslungsreich hält er es mit Vincent Lübecks Praeludium in C, wo das Schnarrende (Fanfaro) mit dem Durchdringenden (Prinzipal) gegenübergestellt ist. Schnell stellt sich heraus, dass der Organist das konzertante Element bevorzugt. Was kein Wunder ist, denn Klaus Eichhorn hat eine Professur für historische Aufführungspraxis an der Bremischen Hochschule für Künste inne und eine Dozentur an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle/S. Wenn er ein bestimmtes Register zieht, ein anderes dagegen unbeachtet lässt, ist es nicht dem Zufall, sondern des Wissens um barockklangliche Wirkungen geschuldet. Seine farbenfrohen Sichten auf die diversen Orgelchoräle und sonstigen Piecen erzählen davon eine Menge. Der Chaconne in D von Georg Böhm zieht er festliche, glanzvolle Register und betont deren tänzerisches Element. Ihr stellt er des Meisters getragenen Choral „Vater unser im Himmelreich“ gegenüber, wobei tiefste Pedaltöne einen beklemmend düsteren Eindruck hinterlassen. Dietrich Buxtehudes Toccata in F hebt diesen Empfindung sogleich wieder auf. Jubilierend strahlt sie im organo pleno hymnisch auf. Hier wie sonst werden die Schlussakkorde der einzelnen Piecen immer sehr lange ausgehalten, sodass die „Gemeinde“ weiß, wann ein (oftmals mehrgliedriges) Stück zu Ende ist. So geht es in chronologisch aufsteigender Linie weiter, denn Klaus Eichhorn meidet mögliches Durcheinander von Tonsetzern. Nun ist Johann Pachelbel an der Reihe. Erneut überrascht der Organist mit seiner Kunst der Gegenüberstellungen. In der Choralpartita „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ gehen ihm die einzelnen Variationen sehr überschaubar von der Hand (und Füßen): schlicht und feingliedrig, virtuos im Flötendiskant, verzierungsreich, Dur-strahlend, Moll-getrübt. Dabei spart er nicht mit Trillergirlanden und Koloraturenketten. Ein schnarrendes Oboen-Register findet genauso Verwendung wie die beiden Zimbelsterne, die der Choralpartita einen tänzerisch-hüpfenden Schlusspunkt setzen. Gewichtig kommt dann das Praeludium in d daher, dessen regelrecht modern anmutende Akkordschichtungen prinzipalgeschärft erklingen. Kontrastbetont präsentiert sich Johann Gottfried Walther. Dem kleingliedrigen Orgelchoral „Gott des Himmels und der Erden“ folgt das voluminös und orchesterimitierend registrierte „Concerto del Sign. Torelli“, dessen Sätze von den Gegensatzpaaren laut-leise, hell-dunkel, Pedal-Manual bestimmt werden. Der Orgelchoral „Es ist das Heil uns kommen her“ erzielt mit dem prononcierten Einsatz des Tremulanten und des weinerlichen Sesquialtera-Registers schließlich regelrecht gefühlswabernde Stimmungen. Zur Krönung des Nachmittags gibt sich Johann Sebastian Bach die Ehre. Scharf getönt, streng geformt und gleichmäßig im Metrum schreitet das Allabreve D-Dur einher, gefolgt vom Orgelchoral „Wir glauben all'' an einen Gott“, einem kunstvoll verfertigten Essay über die Melodie. Im Vergleich mit dem zuvor Gebotenen wird deutlich, mit welcher ungeheuren Fantasie und gestalterischen Kraft der Autor hier zu Werke ging. Manchem mochte es schienen, als sei es gar eine philosophische Betrachtung über Gottgläubigkeit.Peter Buske
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