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Zwei, die sich glänzend verstanden: Dominique Horwitz und Dirigent Scott Lawton.

© Manfred Thomas

Dominique Horwitz begeisterte im Nikolaisaal: Fingerschnippender Entertainer

Die gelassene Coolness von Robert Mitchum hat Dominique Horwitz zwar nicht - braucht er aber auch gar nicht. Der Entertainer ersang sich am Samstag Standing Ovations im Nikolaisaal.

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Gleich zu Anfang: Dominique Horwitz hat mit Robert Mitchum in etwa so viel gemeinsam wie ein Espresso mit einem Glas Fanta. Gut, Horwitz‘ geniale Jacques-Brel-Adaptionen passen ziemlich gut zu ihm, ein Franzose, der einen Belgier interpretiert, beide mit markanten optischen Defiziten: das belgische Gebiss, die französischen Ohren. Wenn sich Horwitz nun aber den ewigen King of Cool vornimmt, den niemals etwas aus der Ruhe bringt, dann muss er Mitchum natürlich einen Horwitz-Anstrich verpassen. Und siehe da: Es funktioniert!

Horwitz hat etwas Grotesk-Witziges, ein geradezu putziges Maskottchen, das mit ungelenken Bewegungen über die Bühne des randvollen Nikolaisaals fegt. Dabei stört es gar nicht, dass er nicht der große Sänger ist, er ist zwar routiniert, aber für eine musikalische Karriere reicht das noch nicht. Aber Horwitz ist ein Entertainer: Er benötigt den Kontakt zum Publikum, und wenn Axel und Vera zu spät kommen, dann begrüßt er die Unglücklichen eben gleich persönlich und widmet ihnen den nächsten Song. Und er ist einfach nicht zu übersehen in seiner Präsenz, erst recht in seinem bewusst deplatziert wirkenden indigoblauen Anzug. 

Horwitz gefällt sich in seiner theatralisch-pathetischen Rolle, also ran an Robert Mitchum, „diese Ausgeburt von Männlichkeit, Sexyness und Coolheit“. Die Begleitung ist natürlich perfekt: Mit dem Filmorchester Babelsberg wird eine hollywoodeske Stimmung erzeugt, sodass Horwitz gar nicht groß zu singen braucht, er muss nur einfach auf der epischen Welle des Orchesters reiten. Das ist so jazzig entspannt, wie der markante Kerl über die Bühne schaukelt, das imaginäre Whiskyglas in der leeren linken Hand schwenkend und dazu die Mitchum-Version von „Little Ole Wine Drinker Me“ schmettert und nach dem „Waiter“ kräht. Er verrenkt sich, läuft wie ein Tiger über die Bühne und versucht gar nicht erst, eine Frank-Sinatra-Maskerade zu benutzen. Dabei darf er auch mal quäkig klingen und die Stimme pressen, das Filmorchester fängt das leichtfüßig auf.

Bei Issac Hayes‘ „Make A Little Love To Me“ übernimmt er sich freilich, der Tiefe eines Hayes kann Horwitz niemals gerecht werden – Robert Mitchum allerdings auch nicht. Horwitz schiebt aber gleich „Lady Marmalade“ hinterher, den Disco-Funk-Klassiker schlechthin, und ja, es ist bezaubernd, wie der großohrige Franzose sein „Voulez-vous coucher avec moi?“ ins Mikro haucht und mit den Lenden zappelt, da konnte man sich kaum noch auf den Sitzen halten. Horwitz tanzte ungelenk, flirtete im Duett mit den grandiosen Background-Sängerinnen. Das Konzert, das ohne Pause stattfand, nahm so mehr und mehr Fahrt auf: Höhepunkt war sicherlich der fingerschnippende Horwitz, der den Otis-Blackwell-Klassiker „Fever“ performte.

Dirigent Scott Lawton dirigierte das Publikum gleich mit, federte gut gelaunt in den Knien und verteilte Anweisungen wie Handküsse – Dirigieren ist aber auch einer der coolsten Tänze überhaupt. Hatte er sich den anachronistischen Kalauer ausgedacht, mittendrin den Schubert-Goethe-Klassiker „Heidenröslein“ einzubauen, um direkt zu „Power Of Love“ überzuleiten, den Titelsong des Kinoklassikers „Zurück in die Zukunft“? Ja, wo ist denn eigentlich der Unterschied zwischen Dominique Horwitz und dem verrückten Zeitmaschinenerfinder Emmett Brown? Da taten sich auf einmal unerwartete Ähnlichkeiten auf.

Schade war an diesem grandiosen Abend eigentlich nur, dass es im Nikolaisaal nur Sitzplatzkonzerte gibt. Gegen Ende des Konzerts sprangen doch einige von den Sitzen und tanzten, was aber in den Standing Ovations mehr oder weniger unterging. Was für eine Rückkehr aus der Sommerpause!

Oliver Dietrich

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