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Kultur: Fitmachen für die Armut

Von Schönburg lehrte in der „arche“ die „Kunst des stilvollen Verarmens“

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Von Schönburg lehrte in der „arche“ die „Kunst des stilvollen Verarmens“ Einen Tag nachdem der Wahl-Potsdamer Alexander von Schönburg die Spitze der Bestsellerliste erklommen hatte, wurde der Bruder von Gloria von Thurn und Taxis in der „arche“ erwartet. Das Buch „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ des 36-Jährigen trifft anscheinend auf magische Weise genau den Zeitgeist. Von Schönburgs üppiges Publikum an diesem Dienstag bestand nur zum geringsten Teil aus Mitgliedern seiner eigenen Generation, jener der Luxuswelt Überdrüssigen, für deren Leiden von Schönburg und die anderen „Schnösel“des „popkulturellen Quintetts“ 1999 im Hotel Adlon mit „Tristesse Royale“ eine Art Manifest des avantgardistischen Snobismus geschrieben hatten. Hier in der „arche“, wo so häufig Kritik am Zeitgeist geübt wird und man der Moderne mit äußerster Skepsis begegnet, fehlten von Schönburgs Folgerungen aus seiner Feststellung, die fetten Jahren wären jetzt ein für alle Mal vorbei, die selbstironische Grundierung, mittels derer aus altbekanntem Erz-Konservativismus noch eine erträgliche Position wird. Auch mit dem Spaß scheint es jetzt vorbei zu sein. Da nun auch die zweite große Utopie der Menschheit nach dem Sozialismus, Ludwig Erhards Versprechen vom Wohlstand für alle, gescheitert sei, so von Schönburg, wolle er, dessen Familie seit Hunderten von Jahren Erfahrungen hätte im Verarmen, mit Tipps zur Seite stehen, „wie man auch ohne Geld reich wird“, wie es im Untertitel seines Buches heißt. Nicht materiellem Reichtum sei nachzueilen, vielmehr solle man das schätzen lernen, über das man bereits verfüge. Und es gäbe auch Perspektiven jenseits der Erwerbsarbeit. „Wohlstand, bei Lichte betrachtet, ist eine Qual“. Prestige versprächen nun nicht mehr Rolex-Uhren und Cabrios, das sähen nur noch die russischen Oligarchen so. Reichtum sei anders, individueller, zu definieren. Neben dem bewussten Verzicht, helfe es auch, sein Glück an das zu heften, auf das man selber Einfluss hat. Die Tugenden, Höflichkeit, Freundlichkeit, Dankbarkeit und Liebenswürdigkeit – mit einem Wort „Stil“ – wären der eigentliche Reichtum. Und sie hätten den Vorteil, sich bis ins Unendliche steigern zu lassen. Mit den Tugenden könne man verschwenderisch umgehen. Mit der einsetzenden allgemeinen Armut, schlussfolgerte von Schönburg, würde auch unser Gemeinwesen genesen. Noch könne man an einem Bettler vorbeigehen und denken: „Um ihn kümmert sich der Staat.“ Wenn die „dickflüssige Vanillesauce an staatlichen Transferleistungen“, die alle sozialen Unterschiede nivelliere, fortgefallen wäre, dann wären wieder längst vergessene soziale Fähigkeiten gefragt. Von Schönburg geißelte das allgemeine Anspruchsdenken, auf das „der Sozialstaat die Menschen von Kopf bis Fuß“ eingestellt habe und machte eine „kulturelle Verwahrlosung“ aus, an der die Medien mit ihrem „Schwachsinn“, dem die Masse von Menschen ungeschützt ausgeliefert wären, großen Anteil hätten. „Das Zentrale ist eine Erziehung zur Menschenwürde, und das einfachste Rezept ist natürlich die christliche Religion“, war von Schönburgs Fazit. Damit traf der Autor exakt den Nerv der Anwesenden. Ein Zuhörer fasste die Botschaft treffend mit dem Grundsatz der christlichen Sozialethik „ora et labora“ zusammen. Eine Dame übermittelte von Schönburg gar die Zustimmung ihres 35jährigen Sohnes: „Sie sind ein weiser Mann“, worauf der Autor spontanen Applaus einheimste. Demut üben, Armut positiv sehen, Schuster bleib“ bei deinen Leisten, auf Nächstenliebe vertrauen. Sieht die Welt plötzlich wieder so einfach aus wie im 19. Jahrhundert, vor allen demokratischen und sozialen Reformen? Nach dem Abend mit Alexander von Schönburg glaubte man beinahe, der Adel wäre zu Unrecht abgeschafft worden. Bietet er doch ganz simple Tipps, sich die unglückliche Welt schön zu reden. Als wäre Ungerechtigkeit nur ein mentales Problem. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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