Kultur: Flinke und sichere Sprinter
Chorkonzert mit der Kantorei St. Josef aus Memmingen in St. Nikolai
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Chorkonzert mit der Kantorei St. Josef aus Memmingen in St. Nikolai Ein Zufall kommt selten allein. Vor einer Woche erst hatte die Potsdamer Singakademie bei ihrem Konzert im Nikolaisaal Leonard Bernsteins „Chichester Psalms“ in der Orchestervariante aufgeführt, nun folgte am Reformationsfest die Darbietung der hebräisch gesungenen Psalmenvertonungen durch den Kirchenchor der Stadtpfarrkirche St. Josef aus Memmingen im Allgäu in der Nikolaikirche. Ein interessanter Vergleich. Diesmal setzen die Gäste auf die kammermusikalische Variante für Chor, Solostimmen, Harfe (Vida Izadi), Orgel (Kurt Renner) und Schlagzeug (Matthias Jakob). Über die Hürden des rhythmisch vertrackten Werks sprintet die Sängerschar flink und sicher hinweg. Unterstützung erhält sie durch präzise Schlagwerkattacken und durch das prägnante Orgelspiel. Voller Begeisterung swingen die Stimmen, deren warmer, weicher und biegsamer Klang den Ohren schmeichelt. Vor allem die Männer wissen ihn zu formen und genüsslich auszukosten. Die Alte liefern dazu ihren ausdrucksvollen Anteil, während die Soprane im Leisen vorzüglich klingen, im Forte jedoch forcieren. Dann zeigt die oft auch erreichte Homogenität unschöne Risse. Packend gerät der Sangesgemeinschaft die Darstellung der Dramatik des Teils „Warum toben die Heiden“ (Psalm 2), sehr bewegend die Botschaft „Siehe, wie fein und lieblich ist''s, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen" (Psalm 133). Immer wieder überrascht, über welch gut ausgebildete Choristen der Kirchenchor verfügt. Die Besten von ihnen singen sogar Soloeinwürfe! Dass sich die Memminger einem qualitätsorientierten (Laien-)Singen erfolgreich verschrieben haben, gehört genauso zu den erfreulichen Eindrücken des Konzerts wie die Integration von vier zarten Knabenstimmen (Solisten des Kinderchores St. Josef), die gemeinsam die Bekundung „Der Herr ist mein Hirte“ zur Harfenbegleitung lieblich anstimmen. Als Solisten in vier Liedern aus Schemellis Gesangbuch von Johann Sebastian Bach müssen sie allerdings Farbe bekennen. Doch wo schon berühmte Solisten oftmals Mühe haben, den schlichten und anspruchsvollen Duktus der Lieder zu treffen, sind Zehnjährige schlichtweg überfordert. Unsicher und ausdruckslos singen sie sie. Dass Chorleiter Christian Weiherer sich zu dieser unverständlichen, die Kinder restlos überfordernden Präsentation entschlossen hat, stellt seinem Gespür für künstlerisch Machbares kein gutes Zeugnis aus. Zu den erfreulicheren Seiten des überaus anspruchsvollen Programms, das dem gesungenen Wort zum Lob Gottes (ganz im Sinne Luthers und seiner Reformation) gewidmet ist, gehört der Vortrag gregorianischer Choräle, die von den Männerstimmen gleich profunden Mönchsgesang angestimmt werden. Sie schieben sich zwischen einzelne Sätze von Benjamin Brittens „Missa brevis“ für dreistimmigen Frauenchor und Orgel – ein origineller stilistischer und stimmlicher Kontrast. Dessen „Jubilate deo“ für Chor und Orchester sowie orgelsolistisches „Praeludium und Fuge über ein Thema von Vittoria“ zeigen die Memminger Künstler als beeindruckende Sachwalter zeitgenössischer Klänge. Dass man auch im A-cappella-Gesang zu bestehen vermag, zeigt der Vergleich von vier Vertonungen der Bitte „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von einem Anonymus aus dem 16. Jahrhundert, Johann Hermann Schein, Wolfgang Stockmeier und Per-Gunnar Alldahl mit lateinischer Textvariante. Dessen neutönerische Auseinandersetzung mit ihren exorbitanten Anforderungen an die Intonation meistern die Chorsänger mit bewunderungswürdigem Engagement. Die beifallsfreudige Anerkennung folgt standepede.
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