Kultur: Florett statt Degen
Orgelsommer-Konzert mit Ekkehard Saretz in der Friedenskirche
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Orgelsommer-Konzert mit Ekkehard Saretz in der Friedenskirche Mit den ersten Tönen sofort Aufmerksamkeit erheischen und erreichen, Bekanntes in den Mittelpunkt stellen und das Ganze zur furiosen Apotheose steigern - von überzeugender Programmdramaturgie versteht Ekkehard Saretz aus Torgau eine Menge. Der Sohn eines einst in Potsdam amtierenden Pfarrers ist inzwischen längst erfolgreicher Organist und Kirchenmusikdirektor an St. Marien und der Schlosskirche, gehört zu jener Spezies von Organisten, die statt der klangbrachialen Überrumpelung des Hörers den leichten, heiteren, ja geradezu beschwingten Zugang zur Orgelliteratur suchen. Florett statt Degen. Die Woehl-Orgel in der Friedenskirche verführt geradewegs dazu - und der Orgelsommer darf sich über ein weiteres Glanzlicht freuen. Eingeladen zu einer deutsch-französischen Begegnung, überrascht einen sogleich die erste Bekanntschaft. Ganz von seiner charmanten Seite zeigt sich Henri Mulet (1878-1967), der zu den von Debussy beeinflussten so genannten „Koloristen“ gehört. Die Toccata aus der Sammlung „Byzantinische Skizzen“ stellt sich als eine feingliedrig angelegte, sehr farbig kolorierte Tuschezeichnung vor. Ihre Virtuosität offenbart sich quietschvergnügt und leichttönig, erfüllt von unentwegtem motorischem Drängen. Kurz phrasiert, überzeugt sie durch ihre herrlich unkomplizierte Beredsamkeit. Zum Finalcrescendo wirft sie sich aber doch noch in die große Klangattitüde. Geradezu überrumpelnd breiten sich die erste und zweite Fantasie von Jehan Alain (1911-1940) aus. Grelle Mixturen und scharftönige Diskantstimmen betonen die Zerrissenheit der premiere Fantasie (1933). Zupackend, beinahe schroff geht der Organist zu Werk, ihm mit Zungenstimmen und Tremulant den reizvollen Kontrast zu entlocken. Nicht weniger dissonant zeigt sich die deuxieme Fantasie (1936), der trotz aller bedrohlichen Passagen auch eine gewisse Lieblichkeit anzuhören ist. Weichgetönt klingen Anfang und Ende, dazwischen bricht expressiver Seelenschmerz hervor. Auch im Choral pour grand orgue a-Moll von Cesar Franck (1822-1890) zeigt die Woehl-Orgel, was in ihr steckt und wozu sie fähig ist. Die Register französischer Bauart wie Trompette harmonique, Basson Hautbois oder Clairon harmonique sind eifrig gezogen. Deren Klang mischt sich mit der Vox humana (in achtfüßiger mitteldeutscher Bauart) ganz vorzüglich. Das Schwellwerk tut ein übriges, dass das rhapsodisch ausschweifende Werk zu einem Klangfarbenfest gerät. Und wie könnte es anders sein: zum Finale schwillt es zu toccatischer Größe an. Doch auch Max Reger (1873-1916) weiß auf dieser Orgel mit seinen erhabenen Gedankengebäuden zu überzeugend und zu begeistern. Die Choralfantasie „Wie schön leucht'' uns der Morgenstern“ op. 40 Nr. 1 spielt Ekkehard Saretz sehr beeindruckend. Eingangs wuchtet er monumentale Blöcke auf, sendet signalhafte Einwürfe in die Hörrunde und begeistert sich an den chromatisch gefärbten Eruptionen. Mit der dritten Choralstrophe beginnen floskelreiche, lyrisch geprägte Bekundungen. Die weiteren thematischen Veränderungen umspinnt Ekkehard Saretz wie mit einem Kokon aus Seidenfäden. Leise und fröhlich hebt die Fuge an, die schließlich in ein apotheotisches Furioso auf Pedal und in der Oberstimme mündet. Aber leise geht auch. Beschwingt, leicht, freundlich und mit einem weichen Klangschimmer versehen, gibt sich Johann Sebastian Bach - im Mittelpunkt und damit geistigen Zentrum des Programm stehend - mit seiner Triosonate Nr. 1 Es-Dur BWV 525 die Ehre. Regelrecht verspielt, tändelt sie eilenden Metrums kapriziös vorüber, gehüllt in einheitlich registrierte, hellfarbige, silbrig schimmernde und cembalonah gesäumte Klanggewänder. Filigranhafte Applikationen sorgen für zusätzliche Sinnenreize. Peter Buske
Peter Buske
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