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Kultur: Flötentöne in Marquardt

Das Festival für Komposition und Improvisation „Off the Record“

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Das Festival für Komposition und Improvisation „Off the Record“ Das magische Marquardt – bis heute verströmt das alte Dorf am Schlänitzsee eine besondere Atmosphäre. Im Schloss werden wieder Hochzeiten gefeiert wie zu Kempinskis Zeiten, in der schönen Kirche wird geheiratet und von der „blauen Grotte“ König Friedrich Wilhelms IV. finden sich gelegentlich noch ein paar blaulasierte Steine im Lenneschen Park. Einst wurden dort spiritistische Sitzungen gehalten, begleitet von Geisterklängen, die aus einer doppelten Wand des Gemäuers kamen. Bei solch geheimnisumwobener Vergangenheit verwundert es nicht, dass in jüngster Zeit eine „Geheime musikalische Gesellschaft“ gegründet wurde, die sich auf ihre Art mit den Verwandlungen von Vergangenheit in Gegenwart beschäftigt. Mit dem Festival für Komposition und Improvisation „Off the Record“ begab sich Gründungsvater Thomas Kumlehn, selbst Jazzmusiker, erstmals an die Öffentlichkeit. Zwei Tage lang wurden in der Marquardter Kirche musikalische Transformationen vollzogen, die vom 18. Jahrhundert bis in die Jetztzeit reichten. Wie zu archaischen Zeiten fiel bei ausgedehnten Improvisationen der Zeitpunkt der Entstehung der Musik mit dem des Hörens zusammen. Thematisch stand die Flöte im Zentrum, womit neben klassischer Querflöte und Piccoloflöte auch die Bassflöte gemeint war. Der renommierte Musiker Christian Lau präsentierte Kompositionen, die Höhepunkte der Flötenkunst und der klassischen Musik im Detail darstellen. Dass Friedrich Kuhlau der „Beethoven der Flöte“ genannt wurde, kann nach dem Anhören der hochstrebenden, reichgeformten Fantasie D-Dur nur zu Recht bestätigt werden. Die Sonate a-moll von C. Ph. E. Bach zeigte sich ebenso erhaben wie versunken, meditativ und bewegt, angereichert mit luftigen Trillern, flinken Läufen und furiosen Lagenwechseln. Auch Gerhard Rosenfelds moderne Solowerke, die dem Flötisten Christian Lau gewidmet sind, repräsentieren die klassische Spielweise des Instruments. Mit dem Gitarristen Axel Elter bildet Lau seit 1970 das „Potsdam-Duo“, das sich stolz als ältestes Kammermusikensemble der Stadt bezeichnet. Wie gut die beiden Musiker auf einander eingespielt sind, zeigte sich bei ihrem Auftritt. Eric Saties „Gnossiennes 1 und 2“ erhielten in der Version für Flöte und Gitarre schillernde orientalische Effekte. Wie die experimentelle Musik mit diesen historischen und formalen Traditionen umgeht, führte Jeff Cloke bei einer Improvisation auf der Bassflöte vor. Mit seinem riesigen, am Mundstück abgewinkelten Instrument, erzeugt er eine Vielfalt von Tönen, die für einen Musiker des 18. Jahrhunderts entweder veraltet oder unmöglich waren. Hecheln, Flattern, Zischen und Pfeifen gehören dazu ebenso wie elektronische Effekte, die mehrstimmige Klänge fast wie auf Orgelpfeifen ermöglichen. Statisch steht der englische Musiker da und kreiert mit lässiger Selbstverständlichkeit die internationale Sprache der Neuen Musik – faszinierende Geisterklänge der Gegenwart. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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