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Kultur: Flüchtige Bezüge

Brandenburgisches Staatsorchester mit einem Einstein-Programm

Stand:

Brandenburgisches Staatsorchester mit einem Einstein-Programm Flüchtig und unsichtbar wirkt die Musik in der Zeit. Während Malerei und Bildhauerei Raumkünste sind, gilt die Musik als Zeitkunst. Doch schon immer versuchten die Künste Grenzen zu überwinden. Im Zeitalter elektronischer Medien und reproduzierender Kunstwerke sind Vernetzung und Grenzüberschreitung dagegen selbstverständlich geworden. Nicht zuletzt die physikalischen Theorien von Albert Einstein haben die traditionelle Weltsicht aus den Angeln gehoben. Das 8. Sinfoniekonzert des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt mit dem Titel „Einstein - Raum - Zeit - Musik“ versprach eine Annäherung an die Moderne der Musik. Doch der überwiegende Teil des Programms hatte keinen Bezug zu Einstein, sondern blieb der Neoromantik, also einer rückwärtsgewandten Sicht verhaftet. Weder Einsteins persönliche Vorlieben noch seine naturwissenschaftlichen Konzepte wurden musikalisch umgesetzt. Erst der dritte Teil des Abends mit einer avantgardistischen Computerkunstperformance und dem Spiel auf dem Theremin, dem ersten elektronischen Instrument, wies in die Zukunft. Unter dem Dirigat von Catherine Rückwardt entfaltete das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt ein immenses Klangarsenal. Selbst das avancierteste Stück des Abends, „Atmosphères“ von György Ligeti, gilt inzwischen schon als Klassiker. Wie Ligeti darin Klanggrenzen überwindet und neue musikalische Räume erschließt, bleibt einzigartig. Was das Violakonzert von William Walton mit Einstein zu tun hat, bleibt dahingestellt. Immerhin legte die Interpretin Nobuko Imai eine überaus geschmeidige und makellose Interpretation vor, die zeigte, dass sie zur Weltklasse der Violaspielerinnen gehört. Auch ohne große Kadenzen überzeugt Nobuko Imai mit souveränem, edlem und samtigem Spiel. Mit akkordisch schwebenden Doppelgriffen, federleichten Trillern und ausgeprägtem Vibrato erhält das Konzert einen ausgeprägt wehmütigen, herbstlichen Anstrich. Der goldene Klang der Viola überstrahlte stets den mal milde wogenden, mal stürmisch rauschenden sinfonischen Blätterwald. Das bekannteste Werk des englischen Komponisten Gustav Holst, „Die Planeten“, ist sicher nicht, wie er selbst gestand, sein bestes. In freier Suitenform beschreibt die Musik den Charakter der sieben Planeten, die Anfang des Jahrhunderts bekannt waren. Während einige Piècen mit hübschen Einfällen aufwarten, überlaufen andere in einem dicken, kochenden Klangbrei. Für den antiken Kriegsgott und erdnächsten Planeten Mars findet Holst bedrohliche und gewalttätige Klangbilder, die das Orchester eindringlich gestaltet. Auch die Venus findet ihr Maß – mild, weich und anmutig, ohne klebrige Süße. Merkur, der Götterbote, erscheint als flüchtiger, humoristischer Hans Dampf. Doch schon Jupiter - jovial, derb und majestätisch – geht im Pomp seiner ausladenden Instrumentierung beinahe unter. Was sicherlich nicht am Orchester liegt, sondern an der massiven Komposition und der räumlich-akustischen Situation. Die Damen der Potsdamer Kantorei retten den Neptun mit ätherischem Vokalgesang – ein großartiger Einfall und eine würdiges Ende, bei dem man sich fragte, ob wir nicht doch bereits im spirituellen Zeitalter des Wassermanns angelangt sind. Außergewöhnlichste Künstlerin des Abends war Barbara Buchholz, preisgekrönte Theremin-Virtuosin. Zusammen mit der russischen Computerkunst-Avantgardistin Olga Kumeger zeigten sie eine wegweisende Performance. Die Show mit dem Instrument, auf dem berührungslos Klänge erzeugt werden, und simultane Licht-und Videoprojektionen verknüpften moderne Technologien mit künstlerischem Spiel.

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