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Kultur: Fluffige Popsongs, die vor der Bühne verenden

Die Berliner Musikerin Kitty Solaris gastierte in der Reihe „nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters

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Es passt perfekt. Wie Kitty Solaris in einem kaminroten Kleid einsam und allein zu nächtlicher Stunde am Freitag auf der in rotes Licht getauchten Bühne des „nachtboulevards“ des Hans Otto Theaters steht und den wenigen Besuchern an den Caféhaustischen vor der Bühne ankündigt, dass ihr Konzert nun beginnen würde. Zwei Frauen, die eben noch an der Bar ihren Wein bestellten, gesellen sich zu den zehn anderen im Publikum, die Glastür zum Foyer wird geschlossen. Und sogleich weht ein Hauch Twin-Peaks-Atmosphäre durch die luftigen Reihen. Aber nur ein Hauch, der nach wenigen Sekunden wieder verschwindet.

Denn Kitty Solaris ist nicht Laura Palmer. Muss sie auch nicht sein. Nur leider fehlt es ihr gänzlich an theatralischem Geschick, das es auf einer Bühne braucht, ob nun tausend, hundert oder nur zehn Menschen davor stehen. Oder sitzen. Kitty Solaris, die ihre Setlist Backstage verloren hat, vergaß ebenda auch ihren Charme und ihre Routine. Vom ersten Ton an läuft etwas schief an diesem Abend. Sobald die elektrische Gitarre eingestöpselt ist, dringt ein Rauschen durch den Raum, die große Trommel des Schlagzeugs vibriert lautstark, ohne dass sie angeschlagen wird. Die Tontechnik ignoriert das Ungemach. Im Laufe des Konzertes wird die Tonqualität auch noch schlechter, so schmerzhaft, bis die Zähne wehtun.

Ähnlich unsensibel ist die Titelauswahl. Kitty Solaris beginnt ihr Konzert mit der Anrufung der „Cold Season“, der kalten Jahreszeit und endet in der Zugabe mit der Beschreibung eines Wintertages. Sie meint es nicht ironisch, vielmehr wirkt es unbedacht. Unbeholfen, steif und als denkbar schlechteste Moderatorin ihrer selbst spielt sich Kitty Solaris mit ihrer mädchenhaften, wenig variationsreichen Stimme durch eine Auswahl ihrer vier Studioalben. Das letzte, „We Stop the Dance“, ist erst vor wenigen Wochen erschienen, die Rezensionen sind allesamt begeistert. Entgegen der programmatischen Ansage im Titel bietet das Album schönste Diskomusik mit melancholischen und zuweilen auch düsteren Zwischentönen, wie in „Hell“, dessen Refrain „The killer in you is the killer in me / I'm in love with a memory“ nicht von ungefähr an die Smashing Pumpkins erinnert. Allerdings schmiedet die 43-Jährige aus diesen und anderen Referenzen auf ihre musikalische Sozialisation eine eigene sehr hörenswerte Klangwelt. Wenigstens im Studio.

Live wird Kirsten Hahn, wie Kitty Solaris bürgerlich heißt, von Steffen Schlosser am Schlagzeug und Niko Jeremic am Keyboard begleitet. Beide tun ihr Bestes. In den guten Momenten des einstündigen Konzertes offenbart sich selbst in dieser reduzierten Instrumentierung, dass es nicht die Lieder sind, die nicht funktionieren. Im Gegenteil. Kitty Solaris versteht es, fluffige Popsongs zu schreiben. „Table for Dancing“ kokettiert mit artigem 60er-Jahre-Rock’n’Roll und „Get used to it“ ist ein veritabler leichtfüßiger Ohrwurm. Wie Kitty Solaris sich dann in „Take it easy“ den Tanzboden-Klassiker „You’re Unbelievable“ von EMF einverleibt, ihn fragmentiert, entschleunigt und catpowergleich zu einer Hangoverhymne macht, ist einfach genial.

Nur leider zieht das Rauschen und Brummen der Anlage an diesem Abend alle Leichtigkeit aus den Liedern, bleischwer verenden sie vor der Bühne. Es war zum Weglaufen. Lene Zade

Lene Zade

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