Kultur: „Fokussiertes Hören“ mit Fontane Klangforum Brandenburg
in der Villa Quandt
Stand:
Unglaublich, aber wahr: In der lange währenden und sehr dichten Fontane-Forschung gibt es tatsächlich immer noch Lücken! Wer wäre denn je auf die Idee gekommen, das Verhältnis unseres Großen zu Geräusch und Akustik zu hinterfragen?
Der Verein „Klangforum Brandenburg“ hat dieses Loch jetzt gestopft. Durch intensives Literaturstudium und etliche Freilandversuche konnten Michael Schenk und die Seinen jetzt beweisen, dass Fontanes Äcker noch längst nicht alle bestellt sind. Man klopfte seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ nämlich auf Geräusche ab und besuchte dann mit Mikro und Maz jeden Ort, wo das beschriebene „Klangereignis“ damals geschah. An den Uferhängen vom Oderbruch, am Schloss Steinhöfel bei Fürstenwalde oder den Müggelbergen. Seit drei Jahren entsteht so ein aktuelles Tonarchiv zur Literatur. Teile dieser „Klangtopographie Brandenburgs“ konnte man im neuen Fontane-Archiv als „Lausche-Abend“ hören. Das Gartenzimmer der Quandtschen Villa war gerammelt voll, die Lautsprecherboxen in stereo aufgestellt, dazu gab es Wein mit dem Angebot, nach der klangvollen Stunde ein wenig über Geräusch und Stille zu plaudern. Über Fontane, den unbekannten Fontane!
Das Verdienst dieser Veranstaltung liegt vorderhand darin, dass sie tatsächlich die Sinne schärfte. Erst einmal zuhören, was Michael Schenk und Marion Krüger aus den „Wanderungen“ vorlasen, nachklingen lassen, welche Geräusche man mit dem Mikrophon einfing, Töne vergleichen von damals und heute. Ganz schön viel Arbeit für die Zuhörerschaft. Schon im Vorwort wurde man fündig, als Fontane die berühmte Kahnpartie auf dem schottischen Leven-See beschrieb, wo er nicht nur „wehmütig unnennbare Stille“ fand, sondern auch die Idee für sein märkisches Wanderwerk. Auch in den Texten über Beeskow-Storkow oder Ketzin stießen die Klangforscher auf immer dasselbe Phänomen: Der exzellente Literat Fonane führt den Leser zuerst in die Stille, um ihn dann auf ein ganz bestimmtes Geräusch hinzulenken. So etwa perlt das von ihm beschriebene „Klingende Fließ“ am Schlossberg bei Freienwalde noch heute - und doch bleibt sein „Wasser-rauschen niemals dasselbe“, ergänzte Michael Schenk. Er hat recht.
Texte und Klänge korrespondierten, wo man die Einsamkeit Fontanes wiederentdeckte, an den Teichen bei Fürstenwalde mit den Zwitschern von Girlitz, Zilpzalp und Grünfink, oder in der noch ganz immer original knarrende Eiche von Falkenberg. Doch schien das ein wenig doppelt gemoppelt. Fontanes Feder ist noch immer stark genug allein. Kontraste hingegen bei den Mitschnitten, welche die Gegenwart einfangen: der Badesee mit dem dominanten Ton eines Jets, fahrende Autos, während Fontane mit größter Liebe ein vorbeiratterndes Fuhrwerk beschreibt, am ärgsten aber die schmatzenden Geräusche moderner Windräder – ein Zorn dem Ohr, welches eben noch klagende Unkenrufe vernahm. Dissoziation statt Assoziation also hier, hörbarer „Fortschritt“, und wie nebenbei gab es für jedermann noch eine Lektion in Ornithologie. Aus solchen „KlangWanderungen“ läßt sich gewiss noch viel mehr machen.
Geteilte Meinungen im Gespräch. Man fragte, ob die Mark ein stilles Land sei und ob die Vögel heute wegen des akustischen Smogs nicht auch schneller sängen. Kein Witz, es stimmt tatsächlich. Fontane ist eben ein weites Feld. Gerold Paul
Gerold Paul
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