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Kultur: Fontane einmal anders

Musikalisch-literarisches Kirchenkonzert in Eiche

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Ursprünglich sollte das Gotteshaus zu Eichow, später Eiche genannt, mehr einer „Mosquee“ als einem Christenhause gleichen. Friedrich II. wünschte 1771 jedenfalls einen Neubau in „modernem Geschmack“. Georg Christian Ungers Entwurf will nun zwar „das Motiv des römischen Pantheon“ aufgenommen haben, wie es auf dem Visitenzettel der Eicher Kirche heißt, byzantinische Einflüsse sind trotzdem erkennbar.

Was für eine Geschichte, was hätte wohl der alte Fontane dazu gesagt? Darüber war beim musikalisch-literarischen „Kirchenkonzert“ mit Ute Beckert und Gottfried Eberle am Freitag aber nichts Genaues zu erfahren. Ziemlich guter Besuch in der baulichen Winzigkeit, klar, Fontane „geht“ immer. Die Sopranistin hatte mit ihrem musikalischen Begleiter zwar schon ein Mozart-Programm in Potsdam vorgestellt, dieses aber noch nie. Zu hören war „Theodor Fontane. In Wort und Ton“, wobei die Programmdramaturgie besonderen Wert auf etwas legte, was bei all den üblichen Elogen stets zu kurz kommt: Einerseits der Lyriker mit einem „Erbe“ von mehr als 2000 Gedichten, andererseits, noch rarer, ihre Vertonungen. Nicht weniger als dreihundert (meist aus dem 19. Jahrhundert) sind überliefert, doch hört man sie leider so selten, wie man heutzutage die Namen ihrer Schöpfer noch kennt.

Dem konnte in dem ausgewogenen Wort-Ton-Programm gründlich abgeholfen werden. Während sich Gottfried Eberle, studierter Musikwissenschaftler und Germanist, Musikkritiker bei Berliner Zeitungen und im Rundfunk, vornehmlich als „Liedbegleiter“ am E-Piano verstand, führte die Potsdamerin mit leichter Hand durch dies unbekannte Land. Terra incognita weniger des Schriftstellers wegen, Sentenzen wie „Ich bin die Mark durchzogen“, „Berliner Ehedialog“ oder „Wie sich meine Frau einen Beamten denkt“ hat jeder schon mal irgendwann gehört. Vielmehr wegen des opulenten Lied- und Balladenschaffens, dem man einen „schlichten, schwelgenden Fontane-Ton“ nachsagt. Ihn bei „Guter Rat“ (Walter Lang) oder in Carl Wittings „Nach dem Sturm“ zu treffen, fiel dem hellen Sopran niemals schwer, wenn die Akustik der Kirche auch nicht jeden Ton entsprechend wiedergab. In „Mittag“ von Rudolf Gritzner hörte man ihn besonders schön: ein bisschen dramatisch, ein bisschen wie Sehnsucht, ach ja!

Die Soiree gab sich bildsam und abwechslungsreich. Über die Märker sagt der alte Neuruppiner, sie hätten zwar viele Tugenden, weniger aber, als sie sich einbildeten, über den von der Gattin erhofften Beamtenstatus, dass er ihre Witwenpension verdoppelt hätte. Und auch sonst gab es Sprüche und Anekdoten an Zahl, etwa wie Fontane mit dem wenig auf Kleidung achtenden Dichter Storm bei Kranzler in Berlin einkehrte.

Das Musikalische stand trotzdem vorn, melodisch, einfühlsam, lyrisch, zumal sich manche Geschichte um die fast unbekannten Komponisten rankten: Ernst Mielck zum Beispiel vertonte „Das Fischermädchen“ brillant, doch war dem Max-Bruch-Schüler nur ein Alter von 22 Jahren bestimmt. Der Musiklehrer Johannes Bartz wollte mit seinen Vertonungen („Frühling“) seinen Eleven einfach nur Freude bereiten, während das Kapitel „Fontane – Brahms – Stockhausen“ etwas bekannter sein dürfte.

Liebe, Verehrung, Heimat zogen sich wie eine wundersame Botschaft durch alle Lieder, auch bei Konrad Gretscher (Stille Heimkehr“), August Schäffer („Der alte Derffling“) und Ernst Baeker, dessen „Herr von Ribbeck“ den vollen Balladenton Fontanes traf, den „F-Ton“ also. Diese reiche Kompositionswelt wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben, ist ein Verdienst. „Das Leben ist nie langweilig und in seiner künstlerischen Darstellung am wenigsten“, schrieb der alte Wanderer. So auch in der Fast-Moschee zu Eiche: Was man hörte, präsentierte sich genauso leicht wie seine Texte. Gerold Paul

Gerold Paul

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