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Kultur: Fontane und seine Bedeutung Michael Scheffel sprach über den großen Dichter

Wer etwas beweisen muss, wird wohl seine Gründe haben. Besonders dann, wenn es um die Berufsehre geht.

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Wer etwas beweisen muss, wird wohl seine Gründe haben. Besonders dann, wenn es um die Berufsehre geht. Germanistik – ein unnützes Fach; Germanisten im Elfenbeinturm? Was machen die eigentlich den lieben Tag? Solche Frozzeleien konnte und wollte der Wuppertaler Literaturprofessor Michael Scheffel auf den Seinen nicht sitzenlassen – und hielt am Dienstag im Fontane-Archiv einen Vortrag mit und über Theodor Fontane.

Zu beweisen war, dass die Germanistik mitnichten ein trockenes Lehrfach sei. „Anhand von Fontanes Birnbaum-Ballade zeigt er, wie aktuell, brisant und buchstäblich fruchtbar Literatur im Allgemeinen und Fontane im Speziellen sein können“, lockte das Jahresprogramm. Mit den Buchstaben haben es diese Germanisten ja. Der Vortrag war dann auch gut besucht. Staunend hörte das Publikum von der gut hundertjährige Wirkungsgeschichte des Autors im Allgemeinen und dessen Werk-Rezeption im Speziellen. Bevor er aber die Birnbaum-Ballade, sozusagen ein Familienerbstück derer von Ribbeck – Fontane dichtete die Mär vom andersdenkenden Junior dazu –, fachgerecht aufschloss, berichtete Scheffel von der matten Resonanz der kaiserlichen Gesellschaft auf das Oeuvre des Dichters. Seichte Federn im Format der „Gartenlaube“ erlebten Millionenauflagen, „Effi Briest“ dagegen nicht mal 2000 Stück. „In vierzig Jahren werde ich vergessen sein“, glaubte Fontane da noch.

Nun hub Michael Scheffel an, die Rezeption durch die Zeit bis heute gut germanistisch darzustellen. Eine jede habe ihr eigenes Fontane-Bild geschaffen. Vaterländisch ging es im Kaiserreich zu, sein erstes Denkmal 1907 in Neuruppin zeige ihn als dichtender Wanderer. Die Weimarer Jahre betonten mehr den Romancier, wobei sich Koryphäen wie Alfred Döblin und Kurt Tucholsky über den Wehrlosen lustig machten. „Unter Ausklammerung des Preußentums“ hob man im Dritten Reich das „Völkische“ hervor, wie man es am Ende des „Stechlin“ herauslesen kann – später besetzten DDR-Germanisten dieselbe Stelle im 27. Kapitel mit der Rubrik „humanistisch-fortschrittliches Erbe“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde „der Skeptiker“ betont, nach dem Mauerbau war Fontane gut für die „kollektive Selbstvergewisserung“, aber auch als Pontifex zwischen Hüben und Drüben. Man liebte ihn dabei immer mehr. Seit 1990 wird er zum 1-A-Tourismusfaktor vermarktet, seine Apotheose gehört wohl dazu. In Ribbeck nährt Fontane längst eine Region: „So spendet Segen noch immer die Hand“. Die genannten Lesarten finde man auch in „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“, dem frisch gekürten „Lieblingsgedicht der Deutschen“ wieder, so der Referent. Er hält es für eine friedfertige Heldenballade, darin Jung und Alt, Wandel und Beharrung, Vergangenheit und Gegenwart sowie weitere Lieblingsbegriffe der Philologie vorkämen.

Der doch arg akademische Vortrag vergaß allerdings, dass zuallererst germanistische Fachgenossen den hundertjährigen „Bedeutungswandel“ an Fontane zu verantworten haben. War etwa das zu beweisen? Nein, hier war nichts brisant oder lebhaft. Viele Zitate von Autoritäten, denen der Literaturprofessor Michael Scheffel traut. Längst durchgekautes Zeug im Allgemeinen und Speziellen, Bildungsbürgern nur Bestätigung dienend. Gerold Paul

Gerold Paul

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