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Kultur: Fontane unterm Lindenbaum

Im Garten vorgelesen: Diesmal bei Charlotte und Gerhard Joop mit „Jeder Fußbreit hat seine Geschichte“

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Im Garten vorgelesen: Diesmal bei Charlotte und Gerhard Joop mit „Jeder Fußbreit hat seine Geschichte“ Die beliebte URANIA-Reihe „Im Garten vorgelesen“ orientiert sich selbstverständlich nicht an Quantitäten. Wenn man aber die ersten beiden Veranstaltungen dieses Jahres, zu Brielow und bei Charlotte und Gerhard Joop in Bornstedt, zusammen nimmt, darf man gewiss von Rekorden sprechen: Fanden sich unter Gitta und Ekkehard Bräuer“s efeuumrankten Baumwipfeln einhundertsiebzig Personen ein, so waren es im Garten des betagten Ehepaares mehr als zweihundert, vorwiegend Potsdamer Stammpublikum.Lockende Namen, eine fast himmlische Anlage, ausgewählte Perlen aus Fontanes „Märkischen Wanderungen“ und dazu romantische Chor-Musik a capella – wer hätte einer solch melodischen Mischung aus Natur und Kunst auch widerstehen sollen? Wie dieser reizende Abend nach einem Zitat des Neuruppiner Dichterfürsten „Jeder Fußbreit Erde hat seine Geschichte“ benannt wurde, so trifft das auch auf das Ebert-Joop“sche Anwesen nahe des Krongutes zu, einem typischen Bauerngehöft mit Haus zur Straße hin, Hof und Scheune, und viel Land dahinter; ein Tusculum. Zehntausend historische Quadratmeter hat Gärtner Rainer Kühn unter seiner pflegenden Hand, geteilt in einen Landschafts-Park mit Teich und Gartentempel, daneben ein mehr wirtschaftlich genutztes Areal für Rosen und Zwiebeln, Apfel und Wein, Hochstamm-Johannisbeere und anderes Gewächs. Bäume und Hecken. Hier sei man „dem Himmel ein Stück näher“, schwärmte eine alte Dame beim Wandeln in der Pause, als die Männerstimmen des Knabenchores der Singakademie Frankfurt an der Oder auf der Terrasse des nach 1990 gebauten Wohnhauses (italienischer Villenstil) ihr Ständchen gaben, die Damen des Jungen Vokalensembles Potsdam hingegen am Seerosenteich vom „Röslein auf der Heide“ sangen. Nachtigallen schlugen, Amseln sangen, draußen bellten Hunde. Das hektargroße Land aber strahlte Friede aus, Harmonie, Freundlichkeit – womit die charmant-bescheidene Gastgeberin ihre vielen Besucher auch von Herzen begrüßte. Erstmals seit dem Fontane-Jahr las man den Schriftsteller wieder, im gepflasterten Wirtschaftshof, wo sich die beiden Chöre versammelten. Schön, dass wieder so viele junge Leute zum Gesang gefunden. Gabriele Tschache und Jürgen Hintze (Frankfurt an der Oder) wechselten sich bei der Intonation von Fanny Hensel, Brahms, Schubert, Mendelssohn-Bartholdy und den Gegenwartskomponisten Siegfried Köhler und Peter Wittlich ab. Was nicht a capella war, begleitete Johannes Kaufhold am E-Piano. So viel Schwermut unterm Lindenbaum, kurz vor der Blüte, ging das überhaupt? Klar. „Im Garten vorgelesen“ ist zum Experimentieren wie geschaffen und allemal einer Erfahrung wert. Klaus Büstrin contrakarierte die deutsche Gemütslage des 19. Jahrhunderts mit Fontanescher Heiterkeit derselben Zeit, etwa bei seinem Besuch des Bornstedter Friedhofes gleich nebenan, beim Ausflug nach dem tristen Trebbin, oder bezüglich des Wesens der „Potsdamme“. Von den wackeren Märkern erfuhr man, wie sehr sie es verstehen, auch noch das kleinste Ei ins Große aufzublasen. Tugend attestierte ihnen Fontane reichlich, aber auch Neid und fehlende Liebenswürdigkeit. Der Leser las wieder im Stehen, unruhig anfangs, dann mit zunehmender Souveränität, um das zu früh oder zu spät gelegte Programm in der Ribbeckstraße passgenau mit Herrn von Ribbecks Birnbaum-Schnurre heiter zu beenden. Weder Brahms“ dunkle „Herzgedanken“ noch Mendelssohn Bartholdys „Abschied vom Walde“ hatten das letzte Wort, sondern eben Fontane. Wie in Brielow, so wurde ob zunehmender Dunkelheit leider auch diese schöne Veranstaltung eingekürzt, legte man sie früher, so hätten die Besucher einen besinnlichen Nachmittag, etwas später in den Abend hinein wäre URANIAS Angebot ein Nocturne der pastoralen Art, mit Lampenlicht. Man könnte auch das mal ausprobieren. Jetzo bleibt es freilich unentschieden. Gerold Paul „Im Garten vorgelesen“ am 17. und 18. Juni um 19.30 Uhr im Rosengarten Weichbrodt in Grube. Restkarten erhältlich bei der URANIA, Telefon (0331) 291741, Gutenbergstraße 71/72

Gerold Paul

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