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Kultur: Formalisierte Perfektion, wenig Freude

Das Hohelied des Salomo musiziert in der Französischen Kirche

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Das Hohelied des Salomo musiziert in der Französischen Kirche An Salomo, dem etwa 990 v. Chr. geborenen Sohn Davids, wird zuerst seine Weisheit gerühmt. Man findet sie in den Büchern der Könige, in den „Sprüchen“ und „Prediger“-Texten, auch in den oft vertonten Psalmen. Das „Hohelied“ oder „Lied der Lieder“ (Canticum canticorum) nimmt innerhalb des Salomonischen Schriftgutes der Bibel eine Sonderstellung ein. Was die Wechselgesänge zwischen Salomo und Sulamith als „Bräutigam und Braut“ so blumig- üppig beschrieben, wird seit jeher unterschiedlich interpretiert. In der erotisch aufgeladenen Gegenwart neigt man dazu, in dieser Sammlung ein besonders sinnliches Loblied auf Leidenschaft und körperliche Liebe zu sehen. Amtliche Exegeten deuteten das schon immer „höher“, und die es besser wissen können, schweigen ... Kann „frau musica“ helfen? Als „Künstlerin, Muse und Mäzenin“ steht sie ja ostentativ im Zentrum der diesjährigen Musikfestspiele.In der gut besetzten Französischen Kirche waren zwölf „Vertonungen des Hohenliedes aus den italienischen Nonnenklöstern des 17. Jahrhunderts“ zu hören, meist von Frauen komponiert, aber nicht nur. Das von der Kalifornierin Candace Smith gegründete Ensemble „Cappella Artemisia“ (nach der italienischen Malerin Artemisia Gentileschi) versucht der Aufführungspraxis dieser Jahre auf die Spur zu kommen. Obwohl sich das Ensemble um einen geistlichen Zugang bemühte, hielt der meist recht nobel-konzertante Vortrag einem Vergleich mit mittelalterlichen Marien- und Mysteriengesängen nur gelegentlich und indirekt stand. Zum ersten brauchen Texte wie etwa „O mein süßester Jesus“ (Arresti) nicht allein gute Stimmen, sondern auch Innigkeit im Ausdruck, religiöse Inbrunst, wenn man so will. Zweitens haben Tonsetzer wie Cozzolani, Reina oder Isabella Leonarda das Hohe Lied auf gut katholisch (Jesus und Maria) kontrafrakturiert, und manche Motette (Coppini) wurde aus den säkularen Madrigalstrukturen der Renaissance entwickelt. „Echte“ Hohelied-Vertonungen hörte man am ehesten noch bei Monteverdis/Coppinis „Pulchrae sunt genue tue“) oder bei Aleottis „Ego flos campi“. Unter der künstlerischen Leitung von Candace Smith, selbst in blassen Solopartien zu hören, gaben die Vokalistinnen ihr Bestes. Von den Sopranstimmen ragte Monica Piccinini etwas heraus, Alessandra Fiori übernahm, Ersatz für fehlende Männerstimmen der Klöster, den schweren Part eines tiefen Alt. Instrumental kamen Zink, Dulzian, Violine Truhenorgel und eine herrliche Gambe zum Einsatz. Ohne Zweifel hatte die historisch instrumentierte Aufführung zahlreiche Schönheiten: Cozzolani, oder, von der Empore her, Monteverdi, aber das Konzept-Problem der Kalifornierin blieb. Die „Psalmen des Jubels und der Freude“ (Vizzana) bei der mystischen Hochzeit von Salomo und Sulamith schienen, auch wenn man die Komponisten dem Frühbarock zuschlägt, wie vom weltlichen Geist der Renaissance überschattet. Formalisierte Perfektion, dafür kaum Eifer, zu wenig Freude („Er küsse mich mit dem Kuss seines Mundes“) und Leidenschaft, alles sehr hehr. Gerold Paul

Gerold Paul

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