Kultur: Forte satt
Orgelkonzert mit Józef Serafin
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Arm dran sind sie, die Organisten. Man kann ihnen beim Spielen nicht zusehen, ihre Aura nicht genießen. Aus ihrer optischen Entrücktheit treten sie erst bei der Beifallsverbeugung. Während andere Spielende dem Werk dienen, bedient der Organist einen Apparat. Viel Technik gilt es da zu meistern. Glücklich der Organist, der all diese Misslichkeiten bei seinem Wirken auf der Empore vergessen machen kann. Wie Józef Serafin bei seinem Orgelsommer-Auftritt am Mittwoch in der Friedenskirche. Er ist ein Vertreter des künstlerischen Orgelspiels und Professor an der Warschauer Chopin-Universität sowie an der Musikakademie in Krakau. Und gehört damit zu jener Spezies der Konzertorganisten, die rein zahlenmäßig das Potsdamer Orgelfest dominieren.
In seinem Reisegepäck befindet sich leider keinerlei Notensouvenir aus heimatlichen Gefilden, dafür ein Mix aus Barock, Romantik und Moderne. Mit Großmeisterlichem beginnt seine Zeitreise. Gemessenen Pedalschritts beginnt Dietrich Buxtehudes d-Moll-Passacaglia. Über diesem gleichbleibenden Bassfundament erhebt sich eine reich verzierte Melodiestimme in relativ engen Intervallbereichen. Gradlinig und in großer Ruhe trägt er das Variationenwerk vor, steigert es in die Erhabenheit, bevorzugt dabei den scharfen bis spitzen Klang der Prinzipalstimmen.
Auch für Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 von Johann Sebastian Bach wählt er dieses Register und durchweg ein Forte, um uns einen klangfülligen und formstrengen, ja fast asketisch wirkenden Kontrapunktiker vorzustellen. Die Woehl-Orgel ist dazu durchaus in der Lage. Ein Meisterinstrument eben! Unaufhörlich und breit fließt die Festmusik dahin, erfüllt von den Ideen der Heiligen Dreifaltigkeit. Einem sich unaufhörlich veränderndem Allegro (Präludium) folgt die zunächst als gravitätisches Largo vorüber schreitende Fuge, die sich bald in ein verspieltes, virtuos wiedergegebenes Vivace verwandelt.
Nachdem sich die barocke Seite der „Königin der Instrumente“ wirkungsvoll in Szene gesetzt hat, kommt ihre romantische Veranlagung zum Klingen. Dafür ist hauptsächlich das Schwellwerk, also das dritte Manual, zuständig. Zunächst mit dem „Dante“-Stück von Franz Liszt, einer Hommage zu dessen 200. Geburtstag. Dabei handelt es sich um die Transkription von Einleitung, Fuge und Magnificat aus der Sinfonie zu Dantes „Göttlicher Komödie“ von Liszt-Schüler Alexander Wilhelm Gottschalg. Viel Verschwimmendes kommt zum Klingen, um den Weg durchs Fegefeuer bis in ätherisch Schwebendes und hymnisch Verklärendes nachzuzeichnen, wobei der Organist einen sinfonischen Orgelklang zu erzeugen versteht. Schweller und Crescendowalze haben ebenfalls in der Gottschalgschen Transkription von Wagners „Tristan und Isolde“ genug zu tun, können die klangfarblichen Reize des Originals aber nicht ersetzen. Ein völlig entbehrliches Stück.
Nicht so die Stücke zur Erinnerung an den 100. Geburtstag von Jéhan Alain, die manchem Zuhörer nach vorherigem Kuschelsound unangenehm in den Ohren klingen mochten. Schrill und dissonanzenreich klingt die 1. Fantasie, gedeckt und mit schnarrenden Solostimmen reizvoll registriert das „Lamento“. Mild verklärend tönt ein „Andante“, koboldhaft das „Nachspiel zum Stundengebet in der Nacht“. Weich und monoton, dann tänzerisch und tokkatenhaft spielt Józef Serafin die „Litanies“. Da ist sein Fortespiel längst differenzierter Gestaltung gewichen.Peter Buske
Peter Buske
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