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Kultur: Fragen an den Körper

Mit „Dances For Non/Fictional Bodies“ feiert Jess Curtis am morgigen Freitag Deutschlandpremiere in der „fabrik“

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Angefangen hat es mit einer Wahrheit. Einer so simplen Wahrheit, die, als sie ausgesprochen war, in Jess Curtis dann aber doch etwas in Bewegung setzte. Zusammen mit einem befreundeten Dozenten besuchte er eine Tanzaufführung an der Universität in Berkeley. Da beugte sich der Freund zu Curtis und sagte, dass all die Bewegungen der Tänzer auf der Bühne dort immer nur Repertoire seien. Einstudierte, ideale Bewegungen, die einem Ideal entsprechen, das in der Wirklichkeit nicht zu finden ist.

Was vor Publikum gezeigt wird, sei es nun auf einer Theaterbühne oder auf einem Platz im Freien, geht immer einher mit dem Verlust von Natürlichkeit. Inszenierung bedeutet Veränderung und diese Veränderung eine gewisse Künstlichkeit. Doch Jess Curtis, in Potsdam ein alter Bekannter, der schon mit zahlreichen, oft auch provokanten Inszenierungen in der „fabrik“ zu erleben war, interessiert gerade diese Natürlichkeit. Wie weit kann man sich dieser Natürlichkeit auf der Bühne überhaupt annähern? Wie verändern bestimmt Situationen unsere Bewegungen, bestimmte Gegenstände, bestimmte Kleidung oder allein schon das Bewusstsein, dass etwas anders ist, dass wir einfach nur beobachtet werden. Fragen, denen Curtis in seiner Performance „Dances For Non/Fictional Bodies“ am morgigen Freitag und am Wochenende in der „fabrik“ nachgehen wird.

Jess Curtis wird dabei keine Geschichten erzählen. Mehrere Szenen werden aufeinander folgen. Bewegungsstudien, denen immer auch das Curtissche Überraschungsmoment innewohnt. Denn dafür ist der Amerikaner bekannt. Dass er kräftig gegen den Strich bürstet und mit dem Gezeigten für Verwirrung und nicht selten auch für Empörung sorgt. Anders wird es mit „Dances For Non/Fictional Bodies“ auch nicht sein, über das es in der Ankündigung heißt, es sei „eine wilde Mischung aus Tanz, Performance und Musik mit einer Liebe zur Trash-Burleske, zu Zirkus und Punk“.

Vier Darsteller aus Curtis’ Truppe „Gravity“ auf der Bühne, darunter Ausnahmekünstlerin Claire Cunningham, die an Krücken geht und tanzt. Und dazu ein Musiker, sagt Curtis in einem Gespräch zwischen den Proben am Mittwoch. Und noch immer versuchen sie „Dances For Non/Fictional Bodies“, dass in Potsdam Deutschlandpremiere feiert, in eine entsprechende, zeitlich vertretbare Form zu pressen. Anderthalb bis zwei Stunden rechnet Curtis für die Aufführung. Und noch überlegt er, ob es nach der Hälfte eine Pause geben soll oder nicht.

Aber ob nun mit oder ohne Unterbrechung, der Aufenthalt im „Labor“ von Jess Curtis wird nicht ohne Spuren bleiben. Dieses Spiel mit dem Körper, das Hinterfragen von Idealen, die ein fragwürdiges Glück versprechen und die Suche nach der ganz besonderen, der ganz eigenen Schönheit an und in jedem menschlichen Körper – all das wird in „Dances For Non/Fictional Bodies“ auf ganz eigenwillige und gewöhnungsbedürftige Art und Weise verhandelt. Ein chaotisches Panoptikum, in dem, und das verwundert kaum, auch Karaoke gesungen werden soll. Jess Curtis fordert den Blick des Zuschauers, auch dann wenn es unangenehm wird. Denn erst dann ist zwar noch lange nicht Natürlichkeit, aber im besten Falle Wahrhaftigkeit möglich. Dirk Becker

„Dances For Non/Fictional Bodies“ am morgigen Freitag und Samstag, dem 27. November, 20 Uhr, und am Sonntag, 28. November, 16 Uhr, in der „fabrik“ in der Schiffbauergasse. Karten im Vorverkauf 12, ermäßigt 8 Euro, an der Abendkasse 14, ermäßigt 10 Euro. Reservierungen unter Tel.: (0331) 24 09 23. Das Stück ist nicht für Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahre geeignet. Im Anschluss an die Vorführung am morgigen Freitag findet ein Konzert mit Brenna Maccrimmon und Kulak Misafiri in der „fabrik“ statt

Dirk Becker

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