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Über historische Porträts rankeln hineinmontierte Gewächse.

© Trollwerk

Kultur: Fragmente

Die Ausstellung „Jaffa 1930“ des irakischen Künstlers Nedim Kufi im TAZ-Container auf dem Schirrhof

Stand:

Kein Laut dringt aus dem Container von „Tempory Art Zone III“ auf dem wohlgefälligen Schirrhof. An der Rückwand, neben dem demonstrativ angestrahlten Glasgefäß, ist ein Monitor befestigt. Ein Film läuft da als Endlosschleife. Er zeigt Bilder der Welt, in diesen Glasbehälter getan: Kriegsszenen, die Mondlandung, Kamele in Bewegung, arabische Bauchtänzerinnen. Seine Form begrenzt das Volumen des Filmmaterials, schneidet „Szenen“ ab, zergliedert Ablauf und Bewegung. Nichts sieht man ganz und vollkommen. Das meint der irakische Künstler Nedim Kufi auch so: Man bekommt von der Welt samt ihrer Geschichte immer nur Bruchstücke zu Gesicht – und wie gewiss diese ihrerseits sind, ist auch nicht ganz klar.

Der Kurzfilm „The Pot“ ist nur der eine Teil von der aktuellen „Containerkunst“ auf dem mäusestillen Schirrhof. Der andere besteht aus vierzehn großformatigen Porträtfotos in Schwarzweiß, digital bearbeitet und mit seltsamem „Bewuchs“ geziert. Allerdings scheint es dieser „Jaffa 1930“ genannten Ausstellung nicht anders als eben der Welt samt ihrer Geschichte zu gehen: Man bekommt immer nur Fragmente eines unbekannten Ganzen zu sehen. Schade, dass nicht wenigstens ein paar Worte zu Hintergrund und Herkunft mitgeliefert werden, denn das Werden dieser ganz besonderen Exposition ist nicht weniger spannend als „Pot“ und Bild im TAZ-Container selbst.

Der im niederländischen Exil lebende Iraker hatte dieses Porträtbuch aus dem Palästina der dreißiger Jahre in einem Antiquariat entdeckt. Er war sofort fasziniert, die Bilder stammten ja aus einer Zeit, als Tel Aviv noch Jaffa hieß und vom Staat Israel kaum schon die Rede war. Ein holländischer Ethnologe lichtete damals diese Gesichter von jungen Männern, stolzen Frauen und unbedarften Kindern ab, deren keiner den Blick in die Kamera scheute. Im Gegenteil. Merkwürdig auch, dass im selben Buch Fotos zur Botanik dieses Landstrichs abgedruckt waren.

Obwohl es Nedim Kufi gar nicht so sehr zu einer politischen Aussage drängte, digitalisierte er diese Fotos und montierte die farbigen oder kolorierten Pflanzen in die Porträts hinein, sodass eine Art Zuordnung entstand: Mitten im militärischen Salut eines jungen Mannes rankelt ein Getreidegewächs, Mohn oder Weizen umrankt andere in liegender Ruhe. Technisch hat man es also mit „Fotos von Fotos“ zu tun, inhaltlich sind es Fragmente aus der Vergangenheit, genau im Sinn dieser gläsernen Phiole. Sie sollen „Warnung“ und „alarmierendes Werkzeug“ sein, „die Geschichte von gestern zu reflektieren“. Einem palästinensischen Imbissverkäufer auf dem Gelände der Schiffbauergasse ist das bereits geglückt: Als er die Fotos sah, rief er aus: „Das dort ist doch mein Großvater“.

Für Nedim Kufi, einst Bagdad, jetzt Amsterdam, ist Geschichte also nicht objektiv, sie lebt „vom Weitererzählen“, und sie lebt fort in den Büchern. Insofern ist auch das palästinensische „Jaffa“ nicht völlig erloschen. Jenes alte Buch inspirierte den Künstler sogar, dafür „eine Sprache zu finden“. Eine Sprache „wie eine Botschaft von Vertrauen, und der Wunsch, den Sauerstoff von Jaffa tief durch meine Augen einzuatmen“, so Kufi. Das freilich kann man im TAZ-Behälter höchstens erahnen, wenn man das Grün wie ein Grünen versteht. Aber die ganze Welt in einer Flasche, die Flasche in diesem Container, das ist doch auch schon ein Bild, welches mächtig zu denken gibt!Gerold Paul

TAZ-Container, Schirrhof, bis 28. August, Fr und Sa ab 18 Uhr, So 14–18 Uhr.

Gerold Paul

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