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Kultur: Fragwürdige Lehrmethoden

Das Theaterstück „Klamms Krieg“ als Ausgangspunkt für rege Diskussion

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Das Theaterstück „Klamms Krieg“ als Ausgangspunkt für rege Diskussion Eine Gymnasialklasse, die sich verweigert und ein Lehrer, der in die feindselige Stille des Klassenzimmers höhnt, droht, brüllt. Die Klasse hat ihm per Brief den Krieg erklärt, sie gibt ihm die Schuld an dem Tod eines Mitschülers, der Selbstmord beging, weil er das Abitur nicht bestanden hat. Herr Klamm, der Deutschlehrer, war es, der ihm den entscheidenden Punkt nicht gab, obwohl er wusste, dass dieser Punkt über das Bestehen entscheiden würde. „Klamms Krieg“, der Theatermonolog von Kai Hensel, thematisiert Probleme, die an deutschen Schulen weit verbreitet sind. Schülerinnen und Schüler, die gegen die Lehrenden kämpfen, Lehrende, die gegen die Klasse kämpfen, Hass auf beiden Seiten. Druck statt Motivation, Zwang statt Freude am Lernen. Und große Angst. Am kommenden Mittwoch wird diese Produktion des Hans-Otto-Theaters in der Voltaire-Gesamtschule Potsdam Premiere haben. In einem Klassenraum im dritten Stock. Bei der öffentlichen Probe stellten die Schülerinnen und Schüler des Abitur-Leistungskurses Deutsch den Großteil des Publikums. Obwohl Klamms Moralpredigten, seine Bosheit sowie seine Verzweiflung oft Heiterkeit auslösten, sie waren ja nur gespielt, waren sich die Schülerinnen und Schüler durchaus bewusst, wie nah das Gespielte der Realität ist. Dies wurde im anschließenden Gespräch deutlich, das die Theaterpädagogin Manuela Gerlach leitete. Die negativen Erfahrungen mit Lehrenden bezogen sich hauptsächlich auf Zeiten an diversen Gymnasien. Die Schülerinnen und Schüler erzählten, dass sie dort Dinge erlebt hätten, die sich mit dem Theaterstück vergleichen ließen. Arrogante Lehrende, mit denen außerhalb des Unterrichts kein Austausch stattgefunden habe, und die bereits in der zehnten Klasse sagten, wer das Abitur nicht bestehen würde. Ein derartiges Theaterstück mit Diskussion wäre an seinem ehemaligen Gymnasium nicht denkbar gewesen, meinte ein Schüler. Eine Schülerin schätzte an der Voltaire-Gesamtschule besonders, dass sich das Äußern von ehrlicher Meinung nicht auf die Note auszuwirken drohe, wie sie es am Gymnasium erlebt habe. Die Abiturienten tauschten sich über Erfahrungen an Gymnasien aus und waren selbst erstaunt, wie weit verbreitet das Lehren mittels Notendruck und ohne wohlwollender Unterstützung zu sein scheint. Doch das Stück thematisiert auch Dilemmas, in denen Lehrende stecken. Die Gefahr der Erstarrung in altbewährtem Lehrstoff und Lehrmethoden, der Zwang der Bewertung mittels Punkten. Der Druck von Direktion und Eltern, die Grabenkämpfe im Kollegium und die Klassen, die ihnen nicht immer freundlich gegenübertreten. Die anwesende Deutschlehrerin von der Voltaire-Gesamtschule konnte besonders das Dilemma des Punktesystems nachvollziehen. Die vermeintliche Objektivität der Leistungspunkte sei in Fächern wie Deutsch natürlich nur begrenzt gegeben. Dass Klamm ein Mörder sei, weil er aus fast krankhaften Wertevorstellungen heraus den einen Punkt verweigerte, obwohl er die Selbstmordgefährdung des Schülers sah, darüber waren sich alle einig. Auch wenn Klamm seinerseits in Zwängen steckte. Ein Mann aus dem Publikum, dessen Schulzeit bereits eine Weile zurückliegt, gab zu bedenken, dass die Strukturen der Schule sich im Arbeitsleben fortsetzen können. Dort sei dann zum Beispiel der Chef ein „Klamm“ und Alter und Umsatz würden nach Punkten bewertet. Doch die Schüler und Schülerinnen sollen nicht bei der Suche nach Übereinstimmungen zwischen Stück und Wirklichkeit stehen bleiben. Befragt nach ihren Visionen von einer sinnvolleren Schule, sahen die Schülerinnen und Schüler das Hauptproblem in einer Gesellschaft, die Menschen nach Arbeitsmarktkriterien in Muster presst. Bewertung nach Kriterien der „Verwertbarkeit“. Sie wünschten sich weniger Druck, mehr Freiraum und mehr individuell gestaltete Bildung. Auch sollte es Strukturen geben, die Lehrenden weiterhelfen, wenn sie pädagogisch oder aufgrund von Routine an ihre Grenzen stoßen und die Qualität des Unterrichts gefährdet ist.Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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