Kultur: Frankophone Köstlichkeiten Orgelsommer mit Steffen Walther in Friedenskirche
Schön, wenn Verbesserungsvorschläge angenommen werden. Zum Ende der vorjährigen Saison des Internationalen Orgelsommers Potsdam wünschten sich Kritiker und Teile des Publikums vom Veranstalter, der jeweilige Organist möge Erläuterungen zu den ausgewählten Werken geben.
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Schön, wenn Verbesserungsvorschläge angenommen werden. Zum Ende der vorjährigen Saison des Internationalen Orgelsommers Potsdam wünschten sich Kritiker und Teile des Publikums vom Veranstalter, der jeweilige Organist möge Erläuterungen zu den ausgewählten Werken geben. Der Chemnitzer Steffen Walther griff als erster diese Anregung bei seiner Orgelstunde in der Friedenskirche auf. Sein Programm habe er speziell für die Woehl-Orgel mit ihrem „expressiven Schwellwerk“ konzipiert, so der Organist. Aufgrund ihrer Disposition kämen französische Komponisten besonders gut zur Geltung, was er zur Freude der zahlreich Erschienenen einprägsam vorzuführen verstand.
Wo und wann immer es dem Geist der Stücke zu entsprechen schien, verwendete er das III. Manual mit seinen französischen Zungen und dem reiz- wie effektvollen Schwellwerk. Die frankophonen Köstlichkeiten begannen sogleich mit den Choralvariationen über „Veni creator“ von Maurice Duruflé (1902-1986), wobei dem kraftvoll intonierten Thema in ätherischen Regionen angesiedelte Verwandlungen folgten: zunächst in den Diskantstimmen, dann im zungenstimmenprächtigen Schwellwerk, schließlich im anschwellenden organo pleno mit seinen kraftvoll tönenden Prinzipalstimmen, die in einen toccataartigen Hymnus münden. Solche fantasieartigen, von der Improvisationspraxis beeinflussten Abschnitte (oder Sätze) gab es im weiteren Verlauf des Abends noch öfter zu hören. Was letztlich nicht verwunderte, denn der Organist hat 1. Preise bei Improvisationswettbewerben in Halle und Weimar gewonnen, gibt entsprechende Seminare und Kurse.Sein abwechslungsreiches, ganz auf überraschende Klangwirkungen bedachtes Spiel entlockte auch dem Choral h-Moll und dem H-Dur-Cantabile von César Franck (1822-1890) prächtige, sich geradezu rauschhaft steigernde Wirkungen. Aus Verinnerlichung erwächst farbig registrierte Leidenschaft.
Hier wie dort setzt die Vox humana (die menschliche Stimme) dem sinfonisch inspirierten Orgelgeschehen funkelnde Glanzlichter auf. In die Vollen griff Steffen Walther auch bei seiner britannischen „Abschweifung“, dem Allegro maestoso aus der G-Dur-Sonate op. 28 von Edward Elgar (1857-1934). Zwischen toccatisch zupackend und lyrisch singend geht es kontrastbetont zu. Dabei kitzelte Steffen Walther den floskelhaften Zierrat einiger Passagen graziös heraus, ehe das Ganze in eine pathetische Klangallee mündete.
Willkommen auch die Bekanntschaft mit dem Chemnitzer Karl Hoyer (1891-1936), einem Schüler von Max Reger und Karl Straube. Aus seinen konzentriert gesetzten und ein wenig sprachspröden „Vier Charakterstücken“ op. 35 erklangen das düstere, ausweglose Stück „Christi Kreuzweg“, die introvertierte, zwischen Aufbäumen und Verlöschen angesiedelte Beobachtung „Christus am Kreuz“ und der kraftvoll im vollen Orgelwerk intonierte Fugenhymnus „Christi Auferstehung“.
Sozusagen als rhythmischen „Rausschmeißer“ erwählte Steffen Walther das Finale aus der V. Orgelsymphonie von Charles Marie Widor (1844-1937), die hinreißende Toccata F-Dur. Hell getönt, sehr analytisch und fern des vernebelnden Klangrausches leuchtete, strahlte und funkelte sie wie Venus am Abendhimmel.
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