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Kultur: Frau des Gefühls
Musikalische Grenzgängerin San Glaser zeigte sich im Nikolaisaal uninspiriert
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Auf die Frage der Moderatorin Sabine Korsukéwitz, was sie denn an der eigenen Musik besonders schätze, antwortet die Wahl- Hamburgerin San Glaser: „Die Freiheit des Jazz und die Melodien des Pop.“ Zwei Stunden wird die von der Kritik sehr wohlwollend aufgenommene Musikerin, Tochter indonesisch-holländischer Eltern, nun Zeit haben, die Gäste dieses Freitagabends im Nikolaisaal-Foyer von ihren musikalischen Grenzüberschreitungen zu überzeugen. Denn neben Jazz findet man auf ihren Alben „Never in Vain“, „New Road“ und der aktuellen „Beautiful Stranger“ auch Elemente des Rock, Bluegrass oder Singer-Songwriting.
Der Bühnenaufbau ist vielversprechend, die Instrumentalisierung vielfältig. San Glaser präsentiert sich als ambitionierte, spielfreudige Musikerin mit einem Bassisten, Gitarristen, Schlagzeuger und eine Percussionistin an der Seite. Der erste Eindruck lässt sich mit den Worten Disziplin und Professionalität festmachen. San Glaser weiß um ihre gut ausgebildete Stimme und sie reizt tatsächliche eine Vielzahl von Musikgenres aus, die mit dem Jazz zusammengehen.
Sie startet poppig mit „How“, wechselt bei „Let it go“ ins Jazzig-Soulige und schließt einen Bluegrass-Titel mit Lap-Steel Gitarre an. Sie spielt Klavier, beherrscht die leisen Töne, bedient das melancholische Thema und weiß genau, wie aus dieser Stimmung wieder aufzutauchen ist.
Ihre Texte sind eher schlicht und sehr emotional. Es fällt leicht, auch inhaltlich zu folgen. Vom Loslassen ist die Rede, von Enttäuschungen und Liebeskummer, aber auch von dem Menschen, der genau der Richtige fürs Leben ist. Feelgoodmusik, die niemandem weh tut, leichtgängig und auch inhaltlich von der Musikerin so arrangiert, dass auf Regen wieder die Sonne folgt.
Zu Disziplin und Professionalität kommt also der Eindruck von Strukturiertheit und Organisationstalent hinzu. Und es kommen ganz leise die Langeweile und der Zweifel, trotz all der positiven Konnotation.
Warum sind diese Arrangements so wohldurchdacht? Wo bleibt die von der Musikerin so geschätzte Freiheit des Jazz? Warum wirkt das ganze Programm so durchorganisiert, hat alles irgendwie seinen Platz und selbst ein einfaches, spontanes Bass-Solo, von einem hingerissenen Zuhörer aus den hinteren Reihen gewünscht, wird dem Publikum nicht zugestanden.
Das ist so enttäuschend wie unflexibel. Jazz in Kombination mit Rock oder Pop schließt das Improvisieren ja nicht aus und der wirkliche Jazzfreund fordert diese energetischen Sessions geradezu für sich ein. Darum kann ein Konzert wie das von San Glaser dann auch einfach nur mit einem uninspirierenden „Hübsch“ zusammengefasst werden.Andrea Schneider
Andrea Schneider
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