Kultur: „Frauen in Zeiten des Krieges“
Heute ist die Eröffnung von Unidram
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Heute ist die Eröffnung von Unidram „Es beginnt mit dem Tod, es endet mit dem Tod, dazwischen ist sinnloses Leiden“, sagt der italienische Regisseur Claudio Collovà nachdenklich. Er beschreibt damit sowohl sein Stück „Donne in Tempo die Guerra“, ein bildgewaltiges Schauspiel auf Grundlage von Euripides antiker Tragödie „Die Troerinnen“, als auch die alles vernichtende Grunderfahrung des Menschen. Zerstörung, Schmerz, Kummer, Verlust – die Menschheit hat sich entwickelt, die verheerende Wirkung von Kriegen ist über die Jahrhunderte die gleiche geblieben. Collová bezieht sich ausdrücklich auf die italienische Beteiligung am Golfkrieg und die große Mehrheit der Italiener, die gegen diesen Krieg sind: „Krieg ist nie eine Entscheidung des Volkes, er ist immer eine Entscheidung der Regierenden.“ Und wer den Schmerz erträgt, das ist der Einzelne. Collovàs Inszenierung, die das diesjährige Unidram-Festival in der Schiffbauergasse heute eröffnet – für den Regisseur „eine große Ehre“ – nimmt das Drama um die verschleppten, von den siegreichen Griechen gefangen gesetzten Troerinnen und will den Schmerz zeigen, so unmittelbar, wie es eben geht. Dafür hat der Regisseur seinen sieben Schauspielern nur Wortfragmente übrig gelassen, die er Christa Wolfs „Kassandra“ entnommen hat. Gesichter und Bewegungen sollen den Zuschauer direkt berühren. „Es gibt keine Geschichte, sie ist so offenkundig, dass man über sie nichts sagen muss“, erklärt Collovà, wie diese fast „wortlose Aufführung“ funktionieren soll. Wohl aber gibt es Bilder. Zusammen mit dem Bühnengestalter Andrew Walsh und der Choreographin Alessandra Luberti legte der Regisseur jene Bilder von den Kriegsschauplätzen in aller Welt zugrunde, die Dank des Fernsehens zum kollektiven Gedächtnis gehören, ob aus dem irakischen Gefängnis in Abu Grahib oder dem von Terroristen gestürmten Musiktheater in Moskau. Bilder, so Collovà, hätten längst die Worte des griechischen Urtextes an Eindringlichkeit abgelöst. In den zwei Monate langen Proben waren die Schauspieler gefordert, sich mit Trauerereignissen aus dem eigenen Leben auseinander zu setzen. Sie sollten lernen, den so körperlich gefühlten Schmerz auf dem Gesicht zu tragen. „Wir wollen keine schauspielerische Täuschung, wir wollen es wirklich und tatsächlich.“ Die Gruppe der griechischen Kriegsopfer, Königin Hekuba, Andromache, die Warnerin Kassandra und Polixena, die schließlich geopfert werden wird, graben sich in ihr kummervolles Leid, das so zu einem „körperlichen“ wird, so der Regisseur. Die Kostüme verweisen auf die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, griechische Amphoren auf die ewige Gültigkeit des klassischen Sujets. Kriegsgedröhn ist zu hören. Der Zuschauer hat nichts intellektuell zu verstehen, er soll zum Augenzeugen werden. „Er soll mit dem Herzen sehen und mit seinen Sinnen“, so Collovà: „das ist wie beim Liebesakt.“ Eine moralische Aussage treffe das fatalistisch anmutende Stück nicht. Claudio Collovàs Antwort auf die Frage, ob es in seinem Stück eine mögliche Hoffnung gäbe, klingt resigniert: „Ich weiß nicht, was wir tun können.“ Eine Hoffnung sei auf jeden Fall die Kunst. Dass z.B. er und seine Schauspieler das Leiden mitleidbar machen. Eine andere, als Babygeschrei am Schluss des Stückes vernehmbar, läge immer noch im Menschengeschlecht. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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