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Kultur: Frei atmender „Saul“

Vocalise 2006 wurde mit Händel-Oratorium in der Erlöserkirche eröffnet

Stand:

Die Vocalise 2006 mit dem Thema „Könige, Kaiser und Propheten“ ist eröffnet – mit einer glanzvollen Aufführung des Händel-Oratoriums „Saul“ in der Erlöserkirche. Zu den Vocalwochen, die bereits zum sechsten Mal unter der künstlerischen Leitung von Ud Joffe veranstaltet werden, gab zunächst die Fachbereichsleiterin Kultur und Museum der Stadt Potsdam, Birgit-Katharine Seemann, ein recht mageres Grußwort. Danach erklang Musik, die aussage-, bild- und farbkräftiger wohl kaum sein kann. Der Neue Kammerchor und das Neue Kammerorchester Potsdam sowie die Gesangssolisten interpretierten Händels Oratorium „Saul“.

Schon allein die alttestamentliche Geschichte, die Händel auswählte, ist von einer Dramatik, die selten woanders zu finden ist. Der junge David besiegt – nur mit einer Schleuder bewaffnet – den Philisterriesen Goliath. Statt dankbar für diese Tat zu sein, wird König Saul eifersüchtig auf ihn und sucht ihn zu töten. David verbindet aber eine tiefe Freundschaft zu Sauls Sohn, Jonathan, der von seinem Vater ermordet wird, weil er sich gegen den Tod Davids ausspricht. Doch er wird weiterhin von Saul verfolgt. Als der König im Kampf gegen die Philister fällt, trauert auch David um ihn, der ihm so feindlich nachgestellt hat. Der kriegerische Held David wird zum Urbild der Feindesliebe.

Das Alte Testament erzählt diese Geschichte in ihrer ganzen Menschlichkeit. Die Könige werden nicht glorifiziert, der Autor zeichnet sie in ihrer Größe und mit all ihren Schwächen. Händel hat die Handlung mit den Konflikten in eine kraftvolle Musik getaucht, die in ihren Facetten ungemein beeindruckt. 1739 wurde das Oratorium in einem Theater in London uraufgeführt. Ja, auf der Bühne ist es gut aufgehoben, denn das Werk ist mit vielen theatralischen Wirkungen ausgestattet.

Ud Joffe hat nun den „Saul“ als eine halbszenische Aufführung im wunderbar restaurierten Altarraum der Erlöserkirche offeriert. Vor allem durch die stimmungsvoll, manchmal jedoch ein wenig zu romantisch wirkenden Beleuchtungseffekte, für die Rico Heidler und Clemens Kowalski verantwortlich zeichneten, wurden einzelne Sitiuationen und Szenen ins Licht gesetzt. Die sich mehr oder weniger dekorativ bewegenden Choristen, auch die von einem Notenpult zum anderen eilenden Solisten können aber keine halbwegs szenische Aufführung erzielen. Man deutete eben nur an. Mit ihrer intensiven Ausstrahlung haben die Gesangssolisten indes eine differenzierte Zeichnung der Charaktere erreicht. Der Bariton Raimund Nolte in der Titelpartie, der Tenor Lothar Odinius als Jonathan sowie Mocja Erdmann, Sopran, als Saul-Tochter Michal haben mit großer stimmlicher Kultur die Affekte und Emotionen ihrer Figuren punktgenau auf die „Bühne“ gebracht. Der scharfe Sopran Christina Rümanns als Merab, die andere Tochter Sauls, und als Hexe wurde den dramatischen Gesängen eher gerecht als den lyrischen. Ein markantes stimmliches Profil war von dem Bass Jonathan de la Paz-Zaens als Seher Samuel zu vernehmen. Der sympathisch wirkende junge Altus Andreas Pehl gab den David. Doch gesanglich hatte er nicht den besten Tag, denn seine Stimme klang fast durchweg gequält und forciert.

Großartiges bot der Neue Kammerchor mit seinen beiden Solisten Thomas Kalka und Jan Proporowitz. Nicht nur, dass er seine Gesänge bravourös auswendig darbot, er hat klanglich souverän die Mannigfaltigkeit der Partitur ausgeschöpft. Ein farbiges Instrumentarium sieht Händel auch für dieses Oratorium vor. Kriegerische Klänge, warmherziges und inniges „Saitenspiel und Reigentänze“, alles weiß das Neue Kammerorchester mit feiner musikalischer Eleganz einzubringen. Ud Joffe bot eine frei atmende Aufführung, die Transparenz, eine intensive Klangrede und tiefe Auseinandersetzung mit der alttestamentlichen Geschichte zu Tage brachte. Der Jubel für den Vocalise-Auftakt war groß.

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