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Kultur: Fremd, verführerisch und beruhigend

Bauern, asiatische Tänzerinnen, verklärte Winterlandschaften: die Photoausstellung in der Galerie M ist weit gefächert

Stand:

Die Augen fast geschlossen, den halben Blick nach unten gerichtet wie die Mundwinkel, so schaut der „Öko-Bauer“ nicht in die Kamera von Thomas Kläber. Trotz dieser Verweigerungshaltung des Mannes im grobkarierten Hemd erlaubt die Schwarz-Weiß-Fotografie Kläbers aus dem Jahr 2002 einen Einblick in den Charakter einer durch die harte Arbeit dem üblichen Small-Talk abholden Person. Hager ist er, die Ärmel sind hochgekrempelt, der Gürtel eng geschnallt. Kurz unter der Taille beendet die Fotografie ihren Seele entblößenden Blick auf den Mann, der nichts zu sagen, aber alles anzupacken scheint. „Mutter und Kind“ hängen daneben, auch sie, eine junge und eine mittelalte Frau, scheinen eher vom Land als von der Stadt zu kommen. Auch sie verweigern die Kommunikation mit demjenigen, der sie anschaut, scheinen aber zu sagen, dass, wenn es drauf ankommt, durchaus mit ihnen zu rechnen ist. Selbstbewusst ist das, ein bisschen trotzig und so, als könne die Verteidigung jederzeit in Angriff übergehen.

Diese beiden großformatigen Schwarzweißabzüge hängen in der aktuellen Ausstellung der Galerie M, die unter dem simplen Titel „Photographie“ ganz unterschiedliche Sichtweisen der Welt präsentiert. Gerade in der Verschiedenheit der fotografischen Handschriften liegt der Reiz dieser kleinen, wunderbar still auf sich selbst verweisenden Schau, die sehr konzentriert daherkommt. „tanz“ heißen die eher schrillen, an Werbefotografie gemahnenden Nahaufnahmen von geschminkten Gesichtern asiatischer Tänzerinnen, die Michael M. Heyers 2007 aufgenommen hat. Den direkten Zugriff auf ihre Person durch das Zoom verweigern aber die maskenartigen Antlitze: Die dunklen Haare verschwinden fast ganz unter dem aufwendigen Schmuck, der individuelle Ausdruck ist unter dem weißen Puder, dem starken Rouge und den kajalschwarzen Augen verborgen – das soll er auch, denn die Tänzerinnen sind Teil eines Rituals, das, auch wenn man ihm ganz nah kommt, seinen rituellen Charakter behält.

Etwas verstörend dagegen wirken die neutral abfotografierten „Grabfenster“ aus Spanien von Rudolf Sittner: Porträtfotos Verstorbener hängen wie in einem Schaufenster, das mit Vasen voller Plastikblumen, kleinen Rüschenvorhängen, Püppchen und allerlei religiöse Symbolfiguren dekoriert ist. Eine der Aufnahmen zeigt ein leeres, wohl für eine Urne vorgesehenes Fenster. Durch die Spiegelung des Rahmenglases ergeben sich plötzlich unheimliche Anblicke, die weit über den Einblick in eine andere Bestattungskultur hinausgehen und an die eigene Endlichkeit gemahnen. Vergänglichkeit ist auch das Thema von Manfred Kriegelstein, dessen „Makulaturen“ sowjetische Zeitungsreste auf Mauern zeigen. Die verblichenen Papiere mit der kyrillischen Schrift und den Porträts von Männern einer vergangenen, heroischen Zeit gehen mit dem bröckelnden Gestein der Mauern eine hochästhetische Verbindung ein. Sie zeigt, dass durch den Verfall (auch politischer Systeme) immer neue, reizvolle Perspektiven gesehen werden können, selbst wenn an ihnen das Neue noch nicht erkennbar ist. Und wie schnelle Schatten huschen die Lichtblitze der „Berolina blue“ von Christiane S. Bloess genannten Aufnahmen durch die Nacht, als seien sie Sendboten der fieberhaft vergehenden Zeit. Dabei bilden sie Kaskaden von farblich unterschiedlichem Licht und könnten auch als (Seelen-)Landschaften mit aufstrebenden Bergen und niederdrückenden Tiefen gedeutet werden.

Die Nähe zwischen äußerer und innerer Landschaft aber ist wohl eher eines der Ziele der Fotografie Rose Schulzes, die mit wunderbar milchig-blauen Aufnahmen Islands besticht. Hier scheint nur die Harmonie zu regieren, wunderschöne, verklärte Winterlandschaften, die aus einem Märchenland stammen könnten, laden zum Träumen ein. Ein paar scheinbar zufällig auf das Foto gesetzte Zeichenstriche gemahnen allerdings daran, dass Illusionen leicht zu zerbrechen drohen.

Auch Gregor Krampnitz bearbeitet seine „Hofansichten“ so, dass sie noch älter wirken, als sie sind. So gibt er einen Blick frei auf kommenden Verfall, der aber mit einem sanften, beruhigenden Schleier überzogen ist. Diese Schau beweist, dass Fotografie ein durchaus philosophisches Medium sein kann. Lore Bardens

Bis 31. August, Produzentengalerie „M“ des BVBK, Hermann-Elflein-Str. 18, Mittwoch bis Freitag 11 bis 17 Uhr.

Lore Bardens

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